Wirkungsbeschreibung des Teilprojekts „Partizipative Evaluation der Präventionskette Braunschweig“ (PEPBS²)

Hannover/ Braunschweig, März 2021

Projektvorstellung

Das Projekt „PEPBS² – Partizipative Evaluation der Präventionskette Braunschweig“

Partizipation zu ermöglichen ist Teil des Auftrags der Offenen Kinder- und Jugendarbeit (OKJA). Dazu gehört die Einbindung der Jugendlichen in die Angebotsentwicklung. Der Ansatz der Partizipativen Gesundheitsforschung kann einen Beitrag zur Umsetzung des Auftrags leisten. Die Durchführung sog. „Autonomer Öffnungen“ (AÖ) in Braunschweig, bei denen Jugendliche ihr Jugendzentrum ohne Beisein der Fachkräfte öffnen und die Zeit eigenverantwortlich gestalten, geht auf eine Forderung der städtischen Jugendkonferenz zurück. Jugendliche und Fachkräfte haben mit partizipativen Methoden die AÖ evaluiert und wurden dabei von der Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen e.V. (LVG & AFS) begleitet. Nach jeder AÖ haben die Jugendlichen ihr Erlebtes in einem mit den Fachkräften erarbeiteten Fragebogen angegeben, welcher im digitalen Umfrageinstrument „Mentimeter“ hinterlegt wurde. Die Erfahrungen der Fachkräfte wurden in Interviews zusammengetragen.

Die Ergebnisse wurden von hauptamtlich Forschenden der LVG & AFS ausgewertet und in einem Workshop mit Jugendlichen und Fachkräften reflektiert. Im Zeitraum von zehn Monaten fanden zehn AÖ statt. Fünf Jugendliche nahmen als Hauptverantwortliche und ca. 20 weitere als Mitverantwortliche teil. Es zeigte sich, dass die Jugendlichen ihre Interessen seit Beginn der AÖ verstärkt einbringen. Die Fachkräfte haben eine Entwicklung von Kompetenzen in verschiedenen Feldern beobachtet. Es wurden Kriterien zur Übertragbarkeit der AÖ identifiziert. Belastbare Beziehungen, die einen vertrauensvollen Austausch auf Augenhöhe zwischen Fachkräften und Jugendlichen ermöglichen, sind dabei bedeutsam.

Projektverlauf

Das Projekt PEPBS² (März 2018 bis Juli 2021) geht unter anderem der Frage nach, wie Jugendliche stärker an der Entwicklung und Evaluation von Maßnahmen in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit (OKJA) beteiligt werden können. Bei der Evaluation dieses Vorhabens wurden Jugendliche und Fachkräfte mithilfe partizipativer Methoden von den hauptamtlich Forschenden der LVG & AFS begleitet. Gemeinsam erarbeiteten die Fachkräfte der Jugendzentren, der Kommunalverwaltung sowie der LVG & AFS eine Auswahl an Methoden zur Evaluation der Autonomen Öffnungen (AÖ). Nachfolgend berieten die Jugendzentrumsleitungen zusammen mit den jugendlichen Nutzer*innen, welche Methode in ihrem Haus umgesetzt werden soll. Es wurde sich für ein digitales Erhebungsinstrument entschieden, welches über die App „Mentimeter“ abgerufen werden kann. In einem gemeinsamen Prozess wurden die Ergebnisse mit den Projektbeteiligten ausgewertet.

Die folgende Tabelle zeigt die wesentlichen Projektschritte im Verlauf der Förderphase.

 

Maßnahme

Inhalte

Kooperationen

Geplantes

Zeitfenster

Bedürfnis- und Ressourcenermittlung

Ermittlung der Bedürfnisse und Ressourcen im Setting

Akteur*innen der Kommunalverwaltung

bis Februar 2019

Einigung auf eine von drei Forschungsoptionen der gemeinsamen Forschung; Bildung eines Forschungsteams

Workshops bezogen bspw. auf die Begleitung und Evaluation der Einrichtung eines „autonomen Raums“

Akteur*innen der Kommunalverwaltung, Fachkräfte sowie Jugendliche (nachfolgend Forschungsteam genannt)

bis April 2019

Kontinuierlicher Beziehungsaufbau; Umsetzung der AÖ in Braunschweiger Jugendzentren sowie begleitende Evaluation

Erarbeitung eines Erhebungsinstruments zur AÖ mittels des Online-Tools „Mentimeter“; Anwendung nach durchgeführten AÖ

Forschungsteam

Mai 2019 bis März 2020

Aufbereitung der Zwischen- und Endergebnisse

Erarbeitung von Handlungsempfehlungen für Beteiligungsstrukturen am Beispiel AÖ; Erstellung von Kurzbericht für Stadt Braunschweig, Netzwerk und Beirat Kinderarmut

Forschungsteam

Februar bis August 2020

Partizipative Auswertung

Reflexion der gesamten Mentimeter Ergebnisse; Gruppendiskussionen

Forschungsteam

Juni 2020

 

Ergebnistransfer des Teilprojektes PEPBS²

Präsentation der (Zwischen-) Ergebnisse auf verschiedenen (Fach-) Veranstaltungen, z. B. Netzwerktag der Präventionsketten Niedersachsen

Forschungsteam

Februar bis September 2020

Transferveranstaltung des Verbundes

Transfer von Ergebnissen und Empfehlungen des Forschungsverbundes und der Teilprojekte an Fachpublikum in Wissenschaft, Praxis, Politik

PartKommPlus

November 2020

Erstellung von Publikationen, sowohl auf Projekt- als auch auf Verbundebene

Publikation der Ergebnisse auf digitalen Plattformen (z. B. Inforo), in wissenschaftlichen Zeitschriften (z. B. Bundesgesundheitsblatt) und weiteren relevanten Medien

PartKommPlus,
Akteur*innen der Kommunalverwaltung, Fachkräfte

bis Februar 2021

Präsentation des Projektes auf nationalen/internationalen Fachveranstaltungen

Kongress „Armut und Gesundheit“ und weitere Veranstaltungen, in Abhängigkeit geltender Pandemie-Auflagen

 

bis Februar 2021

Präsentation der Projekterkenntnisse in Workshops mit Akteur*innen der Kinder- und Jugendarbeit sowie der Kommunalverwaltung

Gelingensfaktoren und Barrieren bei der Umsetzung AÖ; Präsentation und Diskussion der Projektergebnisse hinsichtlich der Übertragbarkeit in weiteren Kommunen

Fachkräfte, Akteur*innen der Kommunalverwaltung

bis Februar 2021

Erstellen des Abschlussberichts

Berichtlegung über das Projekt

PartKommPlus

bis Februar 2021

Kostenneutrale Projektverlängerung

 

 

bis Juli 2021

Erstellung und Dissemination eines gemeinsamen Films

Darstellung des Projekts für Fachkräfte der OKJA sowie für Jugendliche

Forschungsteam

Februar bis Juli 2021

Ergänzung des Abschlussberichts

abschließende Berichtlegung über das Projekt

 

Mai bis Juli 2021

 

Beteiligte Personen und Organisationen

  • Thomas Altgeld – Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen e. V. , Projektleitung
  • Beatrice Försterra – Stadt Braunschweig, Praxispartnerin Koordinierungsstelle Kinderarmut
  • Andreas Bogner – Stadt Braunschweig, Praxispartner Stadtjugendpflege
  • Alexandra Schüssler - Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen e. V., wissenschaftliche Mitarbeiterin
  • Elisabeth Rataj - Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen e. V., wissenschaftliche Mitarbeiterin
  • Jan Fischer - Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen e. V., wissenschaftlicher Mitarbeiter
  • Lukas Schütt - Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen e. V., studentischer Mitarbeiter
  • Jugendliche der verschiedenen Jugendzentren
  • Mirko Schropp - Stadt Braunschweig, Praxispartner Jugendzentrum „Roxy“
  • Lukas Gebhardt - Stadt Braunschweig, Praxispartner Jugendzentrum „Roxy“
  • Wiebke Wagner - Stadt Braunschweig, Praxispartnerin Jugendzentrum „Rautheim“
  • Tobias Kurella (bis 08/2019) – Stadt Braunschweig, Praxispartner Jugendzentrum „Heidberg“

Wirkungsbeschreibung

Im Projekt PEPBS² können Wirkungen auf verschiedenen Ebenen beschrieben werden: a) auf der Ebene der Jugendzentren, b) auf Ebene der kommunalen Verwaltungsfachkräfte c) auf der Ebene der Jugendlichen und d) auf Ebene der hauptamtlich Forschenden. Der Bereich „Strukturen der Offene Kinder- und Jugendarbeit (OKJA)“ wird als übergreifendes Thema separat behandelt. Nachfolgend werden beobachtete Wirkungen und entsprechende Belege zusammenfassend dargestellt.

a) Jugendzentren

Um eine gemeinsame Haltung zur Bedeutung von Partizipation sowie partizipativer Gesundheitsforschung zu entwickeln, wurden regelmäßige Austauschtreffen zwischen den Fachkräften der Jugendzentren, der Kommune und den hauptamtlich Forschenden sowie Workshops, u.a. zu verschiedenen partizipativen Evaluationsmethoden, durchgeführt. Darüber hinaus wurde der gemeinsame Prozess durch eingeladene Expert*innen aus Wissenschaft und Praxis für Partizipation in der OKJA unterstützt.

Auf Ebene der Jugendzentren führte das Projekt zu veränderten Möglichkeiten der Beteiligung jugendlicher Nutzer*innen, zu neuen Evaluationsformen sowie zu einer Veränderung der strukturellen Bedingungen der Beteiligungsformen der Jugendlichen. In regelmäßigen Abständen fanden die AÖ in zwei Jugendzentren statt, die im Nachgang anhand eines digitalen Instruments reflektiert wurden. Eine selbstständige Öffnung durch die Jugendlichen setzte von den Fachkräften voraus, dass sie sich, trotz Unsicherheiten, auf den gemeinsamen Prozess einlassen. Die Fachkräfte der Jugendzentren mussten entsprechend loslassen und Vertrauen in die Jugendlichen haben, die Herausforderung zu meistern und benötigte Kompetenzen weiterzuentwickeln. Die eigene Haltung musste dahingehend reflektiert werden, dass Fehler gemacht werden dürfen und diese Teil eines Lernprozesses sind.

"Und das ist für mich ganz klar ein Ziel, auch dass die fachliche Perspektive in der Arbeit sich ein bisschen ändert. Auch eben weg vom ‚Ich muss immer irgendwie Angebote gestalten, ich muss immer da sein.‘ hin zu ‚Ich bin Begleiter in der Zeit des Aufwachsens, ich bin Partner. Und ich lasse dich Fehler machen.‘" (Vertreter Kommune)

Der Vertrauensvorschuss löste bei den Fachkräften Unsicherheiten aus, vor allem aufgrund fehlender rechtlicher Absicherung. Diese Unsicherheiten konnten im Forschungsteam adressiert und gemeinsam bearbeitet werden. (s. Kapitel „Strukturen in der OKJA“)

"[…] wenn jetzt was schief geht, dann muss ich den Kopf ja erstmal hinhalten. Ich habe die Einschätzung getroffen die Jugendlichen dürfen hier öffnen. Wenn dann irgendwie die Bude abfackelt, weil irgendwie was nicht geregelt wurde, dann bin ich erstmal die allererste Ansprechpartnerin." (Fachkraft Jugendzentrum)

Die Wirkung des Projekts auf die Jugendlichen (s. Kapitel „Jugendliche“) wurde auch im Umgang mit den Fachkräften im Alltag bemerkbar. Fachkräfte wurde von den Jugendlichen aktiv auf die gemeinsame Gestaltung der AÖ angesprochen und auch in anderen Bereichen entwickelte sich eine Selbstverständlichkeit des gegenseitigen Austauschs und Unterstützung zwischen Fachkräften und Jugendlichen.

"Man wurde häufiger angesprochen, ob wir nicht gemeinsam irgendwas ermöglichen können, damit die autonome Öffnung noch reibungsloser läuft oder dementsprechend besser läuft […] Es war einfach ein viel Offeneres Wir, würde ich sagen." (Fachkraft Jugendzentrum)

Darüber hinaus konnten Wirkungen auf die Zusammenarbeit der Jugendzentren untereinander beobachtet werden. Schon unabhängig von PEPBS² gab es eine gute, intensive Zusammenarbeit zwischen den zwei Jugendzentren, welche die AÖ durchgeführt haben, wodurch die Kommunikation innerhalb des Projekts erleichtert wurde. Dies wird auf die räumliche Nähe sowie eine vergangene Zusammenarbeit der Fachkräfte der beiden Jugendzentren zurückgeführt. Durch die Bekanntmachung des Projektvorhabens in einer Klausurtagung der Leitungskräfte der OKJA, wurde ein gesteigertes Interesse von Kolleg*innen, die nicht an PEPBS² beteiligt gewesen sind, beobachtet. Des Weiteren konnte durch digitale Workshopangebote der Kontakt zu interessierten Akteur*innen der OKJA über Braunschweig hinaus aufgebaut und durch einen E-Mail Verteiler verstetigt werden (s. Kapitel „Strukturen in der OKJA“).

"Durch […] dieses Präsentmachen in […] unserem fachlichen Austausch, das sind Stellenleiter und Arbeitskreise, an denen wir uns beteiligen, da würde ich schon sagen, ist das Interesse auf jeden Fall wesentlich größer geworden. Und auch die Nachfragen, wie machen wir das denn, wie machen das die anderen Kollegen und dieser fachliche Austausch speziell auf Autonomie und Partizipation, da würde ich so einen leichten Anstieg schonmal tendenziell auf jeden Fall feststellen. […] Die interessierten Mitarbeiter, da könnte ich das schon sagen, da ist schon ein bisschen mehr Austausch als vorher da." (Fachkraft Jugendzentrum)

Im Verlauf des Projekts wurden zudem nichtintendierte Wirkungen sichtbar. Darunter fällt der Ausstieg eines der drei Jugendzentren, da die Besucher*innenstruktur von hoher Fluktuation geprägt war und sich keine feste Gruppe, welche an dem Projekt teilhaben könnte, etablierte. In einem zweiten Jugendzentrum wurden die AÖ erfolgreich durchgeführt, mussten jedoch vorzeitig beendet werden, da die durchführende Gruppe sich aufgrund des Übergangs in die Berufsausbildung sukzessive auflöste. Die gesammelte Expertise der Fachkraft bewies sich im weiteren Verlauf bei Treffen zwischen den Fachkräften der Jugendzentren, der Kommune und den hauptamtlich Forschenden als überaus hilfreich zur Reflexion unterschiedlicher Umsetzungskonzepte der AÖ abhängig von gegebenen Rahmenbedingungen. Nichtintendiert war dabei, dass die Fachkraft des zweiten Jugendzentrums ein Pflichtgefühl zur Projektteilnahme entwickelte, obwohl der Nutzen, Projektergebnisse im eigenen Jugendzentrum umzusetzen, wegfiel. In einzelnen Projektphasen ist daher die Arbeitsbelastung sehr hoch gewesen. Dies wurde im Forschungsteam kritisch reflektiert.

b) Kommunale Verwaltungsfachkräfte

Es bestand ein regelmäßiger Austausch mit dem Stadtjugendpfleger der Stadt Braunschweig und eine punktuelle Zusammenarbeit mit der Koordinationsstelle Kinderarmut. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit wird als wesentlich für einen erfolgreichen Projektverlauf genannt. Die transparente Kommunikation erlaubte es außerdem, Überzeugungsarbeit hinsichtlich des partizipativen Ansatzes auf kommunaler Ebene zu leisten und diesen am Beispiel der AÖ zu verstetigen. Darüber hinaus wird das Potenzial für die Nutzung von Schnittstellen konkretisiert und eine Verbindung der Fachdisziplinen neben der Jugendarbeit, u.a. der Jugendschutz, die Medienarbeit, genannt. Auch im Beirat Kinderarmut und im kommunalen Handlungskonzept wird PEPBS² Erwähnung finden.

c) Jugendliche

Die Fachkräfte beschreiben eine Veränderung in der Gruppenkonstellation, den Rollen und dem Zusammenhalt unter den Jugendlichen. Die bereits bestehende Clique vergrößerte sich um weitere Jugendliche, die vor der AÖ noch keine regelmäßigen Nutzer*innen des Jugendzentrums gewesen waren.

"[…] über diese Öffnungen sind eben noch Mädchen dazugekommen oder […] zwei Jungs, die sonst hier eigentlich gar nicht aufgetaucht sind genauso wie fünf Mädchen, die immer mehr in die Gruppe reingewachsen sind." (Fachkraft Jugendzentrum)

Der größeren Gruppe wird zudem ein besserer Zusammenhalt seit Durchführung der AÖ zugeschrieben. In dem durchgeführten Reflexionsworkshop wurde von den Beteiligten konstatiert, dass die Gruppe der Jugendlichen durch die Verantwortungsübernahme „enger zusammengewachsen“ (Jugendlicher) sei. Diese Entwicklung ging einher mit veränderten Rollen der Verantwortungsträger im Gruppengefüge. Im Interview untermauert eine Fachkraft diese Entwicklung. Der Respekt, der einem Jugendlichen mit seinem Einsatz für das selbstständige Öffnen entgegengebracht wird, ließ ihn „auf der sozialen Leiter“ (Fachkraft Jugendzentrum) aufsteigen.

"Man selber wächst ja auch an so einer Aufgabe. Man selber wird vielleicht auch selbstbewusster. Man erlangt einen etwas anderen Status in dem kleinen Mikrokosmos des Jugendzentrums." (Fachkraft Jugendzentrum)

Die Verantwortungsübernahme und Änderungen in der Gruppendynamik sorgten für ein gesteigertes Selbstwertgefühl und ein selbstbewussteres Auftreten. Dieser Effekt begrenzte sich nicht nur auf einzelne Verantwortungsträger*innen, sondern auf alle Jugendlichen, die im Vergleich zu vorher mehr Mitspracherecht in der Gruppe aufwiesen.

Für die Fachkräfte zeigte sich, dass die Gruppe der Jugendlichen als „Team“ zusammengewachsen ist, welches Entscheidungen in einem gemeinsamen Prozess bearbeitet.

"Also dieser Austausch untereinander, glaube ich, das ist denen bewusst geworden, dass sie viel besser miteinander Entscheidungen treffen können und gemeinsam eine Lösung finden." (Fachkraft Jugendzentrum)

Auch Konflikte in der Gruppe sowie mit Jugendlichen außerhalb der Gruppe der AÖ-Durchführenden, konnten die Jugendlichen selbstständig lösen. Im Reflexionsworkshop berichteten die Jugendlichen von einer Auseinandersetzung mit anderen jungen Menschen, in Folge derer sie vom Hausrecht Gebrauch machen und die Personen des Jugendzentrums verweisen mussten. Die Entscheidung dazu wurde in der Gruppe getroffen und umgesetzt.

Das wachsende Selbstbewusstsein wurde im Laufe des Projektes durch das Verhalten der Jugendlichen während der AÖ ersichtlich. Unter anderem wurden telefonische Nachfragen an Fachkräfte weniger und sie trauten sich mit der Zeit auch die Aufsicht von kleineren Kindern im Jugendzentrum zu.

"[…] auch dadurch, dass Kinder und Jugendliche die dann als Besucher da waren sich an sie gewendet haben, das stärkt natürlich Selbstbewusstsein und das führt auch dazu, dass man feststellt ich kann da was und ich kann mich einbringen." (Fachkraft Jugendzentrum)

Indem die Jugendlichen im Rahmen der AÖ auch für Personen außerhalb ihrer Gruppe Verantwortung übernommen haben, Konflikte eigenständig lösten, sich um Einhaltung selbst ausgehandelter Regeln bemühten und dabei ihre Erlebnisse reflektierten, haben sich die Jugendlichen im Projektverlauf von der Rolle der Besucher*innen des Jugendzentrums wegentwickelt und wurden zunehmend zu aktiven Gestalter*innen. Dies wurde insbesondere im Reflexionsworkshop deutlich, da das Jugendzentrum von den Jugendlichen als „unser Raum“ bezeichnet wurde, in welchem sie sich „auf Augenhöhe“ mit den Fachkräften positionierten. Die Jugendlichen fühlten sich in ihrer neuen Rolle ernst genommen und hoben positiv hervor, dass sie nicht „wie Kinder“ behandelt wurden. Auch außerhalb der AÖ wirkte die Rollenveränderung auf den Jugendzentrumsalltag ein. Fachkräfte beobachteten, dass Jugendliche sowohl mehr Anteil an den anfallenden Aufgaben im Jugendzentrum genommen haben als auch Forderungen, Wünsche und Ideen selbstbewusster einbrachten.

"Sich für etwas, was ich möchte, einzusetzen, dafür dann eben auch mal aus meiner persönlichen Komfortzone herauszukommen und sich dafür zu engagieren, das ist auf jeden Fall gestiegen. Und das spiegelt sich für uns auch im Alltag wider." (Fachkraft Jugendzentrum)

d) Hauptamtlich Forschende

Nach einem Personalwechsel im Team der LVG & AFS zu Beginn der zweiten Förderphase, wurde der Kontakt zu den kommunalen Vertreter*innen, welche bereits in der ersten Förderphase Teil von PEPBS gewesen sind, intensiviert. Der kontinuierliche Beziehungsaufbau zu diesen, wie anschließend auch zu den Fachkräften der Jugendzentren, führte mit der Zeit zu einem gestärkten Vertrauensverhältnis und einer gleichberechtigten Zusammenarbeit. Dabei nahmen die verschiedenen Akteur*innengruppen unterschiedliche Rollen ein, welche sich im Projektverlauf herauskristallisierten. Die Rollen entwickelten sich im gemeinsamen Austausch, wobei auch implizite Annahmen der hauptamtlich Forschenden zur Rollenverteilung und Erwartungen im Projekt korrigiert werden mussten.

Für die Arbeit im Projekt grundlegende Begriffe, wie Beispielsweise der Partizipationsbegriff, mussten im Forschungsteam neu ausgehandelt und gedeutet werden, da keine einheitliche Vorstellung bestand, wie die jeweiligen Begriffe zu verstehen sind. Der Transfer von Wissen und Ideen verlief im Forschungsteam dabei reziprok. Im Verlauf verschob sich der Fokus weg von einzelnen partizipativen Methoden, hin zu einem Verständnis von Partizipation als Haltung, die im Alltag unter den Bedingungen der Praxis gelebt wird.

Wirkungen auf die Strukturen der OKJA in Braunschweig

Bei Projektplanung war die Einbindung von Fachkräften der kommunalen Verwaltung vorab erklärtes Ziel. So konnten Bedarfe, welche von Jugendlichen und Fachkräften der Jugendzentren identifiziert wurden, jedoch im Kompetenzbereich höherer Verwaltungsebenen lagen, direkt angesprochen und erfüllt werden.  

Als Voraussetzung für die offene Ansprache von Hürden, Herausforderungen und Ängsten, wurde ein belastbares Vertrauensverhältnis zwischen den Fachkräften in den Jugendzentren sowie ihrem Stellenleiter, dem Stadtjugendpfleger der Stadt Braunschweig, identifiziert. In der gemeinsamen Projektarbeit wurde dieses bereits gute Vertrauensverhältnis weiter gestärkt. So wurde ein Raum des Austauschs geschaffen, in welchem auch Kritik und Sorgen Platz hatten.

In der Folge wurde der Bedarf nach einer Qualifizierungsmöglichkeit für jugendliche Verantwortungsträger*innen herausgearbeitet. Gemeinsam mit Jugendlichen sowie den weiteren Projektbeteiligten wurden daraufhin Inhalte für eine Schulung zusammengetragen. Diese sollen künftig als Ergänzungsmodul für Jugendleiter*innenCard-Schulungen der Stadt angeboten werden. Mit diesem Schritt wird eine Übertragung des Modells der AÖ auf andere Jugendzentren weiter vorangetrieben.

Im Rahmen einer Klausurtagung aller Leitungskräfte der OKJA der Stadt Braunschweig hatten Projektbeteiligte die Möglichkeit, von Erfahrungen aus der AÖ zu berichten und in einem Workshop Übertragungspotentiale zu diskutieren.

In einer Arbeitsgemeinschaft der OKJA der Stadt Braunschweig wird die AÖ auch nach Projektende weiter vorangetrieben und ausgebaut werden. Dabei ist die AÖ eingebettet in eine Strategie der OKJA der Stadt Braunschweig, Jugendlichen mehr Autonomie und somit selbstbestimmt gestaltete Erfahrungsräume zu überlassen.

Fazit und Ausblick

Auf allen beobachteten Ebenen konnten Wirkungen durch das Projekt PEPBS² identifiziert werden, welche vom Forschungsteam als positiv gewertet wurden. Durch die Einbindung von Jugendlichen, Fachkräften der OKJA und Akteur*innen der Kommunalverwaltung in den partizipativen Prozess der Maßnahmenentwicklung, Umsetzung, Evaluation und Verstetigung, konnte ein Vorgehen realisiert werden, welches an die Bedingungen der OKJA angepasst und von den Projektbeteiligten in gemeinsamer Verantwortung getragen wurde. Diese Entwicklung bedurfte Zeit und ein belastbares Vertrauensverhältnis, welches sich im gemeinsamen Arbeitsprozess ausbildete. In der Folge fand die entstandene Maßnahme der AÖ eine hohe Akzeptanz bei den Projektbeteiligten und stieß auch bei Akteur*innen außerhalb des Projekts auf Interesse.

Künftig soll dieses Interesse genutzt werden, um mit Akteur*innen der OKJA in- und außerhalb von Braunschweig, die AÖ weiterzuentwickeln und vermehrt umzusetzen. Neben einer lokalen Arbeitsgruppe sowie einem überregionalen E-Mail-Verteiler, wird dazu ein gemeinsam entwickelter Film genutzt werden, welcher im Rahmen der Laufzeitverlängerung von PEPBS entstehen wird.

Quellen, Hinweise und Belege