Hintergrund
Der Forschungsverbund PartKommPlus arbeitete nach dem Ansatz der Partizipativen Gesundheitsforschung. Das bedeutet, dass nicht nur Wissensgenerierung, sondern auch Veränderungen in der Lebenswelt zur Förderung der Gesundheit angestrebt wurden. Aus diesem Grund widmete sich der Verbund in seiner zweiten Förderphase der Frage, welche Wirkungen durch die eigene Forschungstätigkeit angeregt und erzielt werden konnten. Dieser Text wurde basierend auf den Ergebnissen von Wirkungskarten (sogenannten Impact-Mappings), einer Dokumentenanalyse verbundinterner Protokolle und Dokumentationen sowie ergänzenden kommunikativen Verfahren zur Erweiterung und Validierung der Ergebnisse geschrieben (mehr Informationen zum methodischen Vorgehen bei der Erstellung der Wirkungsbeschreibungen in PartKommPlus finden Sie hier). Die Erfassung der eigenen Wirkungen war durch besondere Herausforderungen gekennzeichnet. So konnte beispielsweise nur schwer eine klare Trennung zwischen den Veränderungen durch den Forschungsverbund als Einheit und den Veränderungen durch die einzelnen Teilprojekte vorgenommen werden. Diese Schwierigkeit konnte nicht gänzlich aufgelöst werden und somit gelten nicht alle hier getroffenen Aussagen für alle Teile des Verbundes gleichermaßen.
Im Verlauf der ersten Förderphase beschrieben in PartKommPlus tätigen Wissenschaftler*innen Wirkungen, die der Verbund aus ihrer Sicht anstreben und erreichen könnte [1]. Sie leiteten diese intendierten Wirkungen aus den aktualisierten Verbundzielen ab. Demnach sollte PartKommPlus dazu beitragen, dass
- Wirkungen bei den beteiligten Personen im Verbund eintreten (z. B. durch das Einnehmen neuer Perspektiven, Erlernen neuer Formen der Forschungspraxis, Entwickeln neuer Ideen zur Gesundheitsförderung oder die Entwicklung von Empowerment und gestärkter Selbstwirksamkeitserwartung);
- Wirkungen in den beteiligten Kommunen angestoßen werden (v. a. bezogen darauf, wie Strategien der Gesundheitsförderung geplant und umgesetzt werden, mit besonderem Schwerpunkt auf der Ermöglichung von Partizipation);
- Wirkungen auf die Praxis der kommunalen Gesundheitsförderung erreicht werden (z. B. indem Themen aus PartKommPlus aufgegriffen, Leitfäden und Instrumente aus PartKommPlus angewendet, adaptiert oder kritisiert werden);
- und dass Wirkungen innerhalb der nationalen Wissenschaftslandschaft erzielt werden (z. B., dass Partizipative Gesundheitsforschung als gesundheitswissenschaftlicher Ansatz im Bereich der Gesundheitsförderung in Deutschland bekannter, verbreiteter und stärker etabliert wird).
Im Forschungsverbund PartKommPlus arbeiteten verschiedene Personengruppen in unterschiedlichen Konstellationen zusammen: Bürger*innen aus verschiedenen Settings und mit unterschiedlichen Hintergründen, Wissenschaftler*innen sowie Praktiker*innen aus Bereichen wie der Gesundheitsförderung, Heilpädagogik, Kinder-, Jugend- und Seniorenarbeit, Kommunalverwaltung oder Stadtentwicklung. So verschieden die Beteiligten waren, so unterschiedlich erwiesen sich auch die Begrifflichkeiten, die für oder von den Personengruppen gewählt wurden (z. B. Peer-Forschende, Praxispartner*innen, akademisch Forschende). In den Fallstudien und auf Verbundebene wurden verschiedene Strukturen für die Zusammenarbeit geschaffen. Zu nennen wären hier in den Fallstudien beispielsweise Runde Tische, Forschungsseminare oder -werkstätten, Begleit- oder Steuerungsgruppen sowie im Verbund Kolloquien und Koordinierungsrunden. Weitere Informationen zu den Besonderheiten und Strukturen eines partizipativ arbeitenden Verbundes finden Sie in der Wirkungsbeschreibung der Koordinierungsstelle.
Die identifizierten Wirkungen und Wirkungswege von PartKommPlus werden im Folgenden auf drei verschiedenen Ebenen vorgestellt: 1) Wirkungen auf individueller und gemeinschaftlicher Ebene, 2) Wirkungen auf Ebene der Praxis und 3) Wirkungen auf Wissenschaftsebene. Im Text werden auf weiterführende Beschreibungen der Wirkungen sowie auf verschiedene Beispiele aus den Teilprojekten des Verbundes verwiesen, die im Anhang zu finden sind. Im Resümee werden die beschriebenen Wirkungen mit den ursprünglich angestrebten Wirkungen verglichen.
Wirkungen und Wirkungswege in PartKommPlus
Teil 1: Wirkungen auf individueller und gemeinschaftlicher Ebene
Die Erfahrungsräume, die im Rahmen der partizipativen Zusammenarbeit vor Ort und zu einem gewissen Grad auch teilprojektübergreifend eröffnet wurden, können als wesentliche Größe für vielschichtige Wirkungen bei den einzelnen Individuen und Personengruppen angesehen werden [2]. Innerhalb dieser Erfahrungsräume wurden Begegnungen zwischen den unterschiedlichen Beteiligtengruppen ermöglicht; Austausch sowie Selbst- und Prozessreflexionen fanden statt und wechselseitiges Lernen wurde gefördert. Beziehungsaufbau, vertrauensbildende Maßnahmen, gegenseitige Akzeptanz und Wertschätzung als auch die Etablierung einer konstruktiven „Streitkultur“ bildeten hierfür wichtige Voraussetzungen [3].
Auch wenn es nicht immer einfach war, sich gegenseitig zu verstehen, erfolgte in der partizipativen Zusammenarbeit eine wechselseitige Sensibilisierung gegenüber den Anliegen und Perspektiven der unterschiedlichen Beteiligtengruppen [2]. So erkannten beispielsweise die Wissenschaftler*innen die spezifische Expert*innenrolle der Bürger*innen an. Die verschiedenen Sichtweisen der Beteiligten wurden als bereichernd erlebt und es konnte wiederholt die Bereitschaft beobachtet werden, auf die Belange einzelner Personen oder Gruppen einzugehen und für diese einzutreten [2]. Durch eine wertschätzende und ressourcenorientierte Zusammenarbeit konnten sich insbesondere die mitforschenden Bürger*innen ermächtigen und ihre Selbstvertretungskompetenz stärken [2, 3].
Weiterführenden Informationen und Beispiele der Wirkungen von PartKommPlus auf individueller und gemeinschaftlicher Ebene sind im Anhang ab S. 2 zu finden.
Teil 2: Wirkungen in der Praxis
Die Veränderungen auf individueller und gemeinschaftlicher Ebene bedingten vielfach Wirkungen in der Praxis der beteiligten Partner*innen [2]. Der Wissens- und Kompetenzgewinn, die Sensibilisierung für bestimmte Themen und die Erfahrungen, die in der partizipativen Forschungsarbeit in den Fallstudien gesammelt wurden, führten etwa dazu, dass Fachkräfte in ihrem jeweiligen Setting überprüften, wo Partizipationsmöglichkeiten erweitert werden könnten. Ferner wurden in vielen Fallstudien von PartKommPlus kommunale Netzwerke aufgebaut, wiederbelebt und/oder gestärkt [2]. Mit den Methoden und Instrumenten für partizipatives Arbeiten, die zum Teil gemeinsam entwickelt und erprobt wurden, entstanden Hilfsmittel, die innerhalb und außerhalb von PartKommPlus Anwendung fanden [2]. Die konkreten Forschungsergebnisse und die daraus entwickelten Produkte trugen zu Veränderungsprozessen vor Ort bei.
PartKommPlus erreichte neben den direkt oder indirekt beteiligten Praktiker*innen vor Ort weitere Akteur*innen, wodurch Wirkungen in der Praxis auch außerhalb des Verbundes angestoßen werden konnten. Förderlich dafür war wahrscheinlich, dass bereits ein Interesse an partizipativer Forschung und vor allem an Partizipation in der Gesundheitsförderung bei Praktiker*innen aus Sozial- und Gesundheitsberufen, Verwaltungsmitarbeiter*innen und Kommunalpolitiker*innen bestand [2].
Wichtige Mechanismen für Wirkungen auf dieser Ebene waren eine aktive Vernetzungsarbeit und Kontaktpflege sowie Öffentlichkeitsarbeit und Veröffentlichungen in Form vielseitiger Produkte. Letztere wurden auf verschiedenen Wegen breit gestreut (z. B. in Fachzeitschriften, auf inforo oder auf dieser Website unter Produkte). Nachfragen und Kommentare zu einigen der Produkte zeigen, dass diese positiv aufgenommen wurden und Interesse an partizipativer Forschung und/oder Partizipation in der Gesundheitsförderung weckten bzw. bestärkten [2]
Weiterführenden Informationen und Beispiele der Wirkungen von PartKommPlus auf der Ebene der Praxis sind im Anhang ab S. 4 zu finden.
Teil 3: Wirkungen auf der Wissenschaftsebene
Zugleich waren auch Wirkungen auf der Wissenschaftsebene wahrzunehmen und wurden zum Teil über ähnliche Wege generiert: So profitierten die beteiligten Wissenschaftler*innen von den Erfahrungen, die sie in ihren Fallstudien und im Verbund machten. Viele entwickelten ihre eigene Haltung und ihr professionelles Handeln weiter, was sich in ihrer Arbeitsweise widerspiegelte und weiterführende Wirkungen begünstigte [2, 3]. Sie konnten beispielsweise den Aufgaben in den Fallstudien mit gewachsener Selbstsicherheit nachgehen und die Chancen und Herausforderungen partizipativen Forschens zunehmend differenziert nach außen vertreten.
Die wissenschaftlichen Erkenntnisse des Verbundes wurden über Vernetzungs- und Öffentlichkeitsarbeit sowie über eine spezifische Veröffentlichungsstrategie verbreitet [2]. Die Koordinierungsstelle von PartKommPlus suchte zum Beispiel Kontakt mit Wissenschaftler*innen, die als „Multiplikator*innen“ angesehen werden können und lud sie in den Beirat des Verbundes oder als Gäste und Vortragende zu Kolloquien ein [2]. Ferner nahmen Verbundmitglieder an Konferenzen teil, um sich dort weiter zu vernetzen und über Erkenntnisse aus PartKommPlus zu berichten (siehe Präsentationen). Ende 2020 organisierte PartKommPlus eine eigene Online-Workshopreihe, in der u. a. Mitglieder des Verbundes ihre Arbeit vorstellten und mit den Teilnehmenden diskutierten.
Der Verbund PartKommPlus gewann während seiner Laufzeit an Bekanntheit und schien für viele interessierte Wissenschaftler*innen in besonderem Maße für Partizipative Gesundheitsforschung zu stehen; wahrscheinlich auch, weil es in Bezug auf seine Größe und das Fördervolumen bis dahin kein vergleichbares Forschungsvorhaben in Deutschland gab [2]. Die so entstandene Reputation bewirkte, dass zahlreiche Anfragen aus dem Wissenschaftsbereich die Mitglieder des Verbundes erreichten: Einladungen zu Kongressen, Workshops und Expert*innenhearings, Ernennungen in wissenschaftliche Projektbeiräte und Angebote, Kapitel für geplante Sammelbände zu verfassen [2].
Um eine strukturelle Stärkung Partizipativer Gesundheitsforschung zu unterstützen, wurden Netzwerke gestärkt und ausgebaut, strategisch Arbeitsschwerpunkte gesetzt und spezifische Veröffentlichungen gefördert. Damit sollte der Mehrwert Partizipativer Gesundheitsforschung verdeutlicht, und für den Forschungsansatz in der Wissenschaftspolitik und in den Sozial- und Gesundheitswissenschaften geworben werden. [2].
PartKommPlus konnte über die verschiedenen Wirkungswege das Interesse an Partizipativer Gesundheitsforschung unter Akademiker*innen wecken bzw. bestärken und Auseinandersetzungen über diesen Forschungsansatz anregen. Insgesamt trug der Verbund dazu bei, dass sich Wissen über partizipative Forschung in der deutschsprachigen (Sozial-)Wissenschaft verbreitete und der Ansatz weiter an Bekanntheit gewann. So wirkte PartKommPlus an der Etablierung und Internationalisierung von Partizipativer Gesundheitsforschung in Deutschland mit [2].
Neben den positiven Reaktionen und Wirkungen im Wissenschaftsbereich traf PartKommPlus mit dem partizipativen Ansatz auch auf Widerstand [2]. Es scheint schwer überwindbare Gräben zu geben zwischen einem dominanten Wissenschaftsparadigma, welches die Expertise von akademisch Forschenden am bedeutsamsten bewertet, und dem partizipativen Wissenschaftsverständnis, bei dem das Wissen verschiedener Akteur*innen gleichermaßen wertgeschätzt wird [4].
Beteiligungsorientierten Ansätzen wird zunehmend Relevanz zugeschrieben, was sich zum Beispiel an wachsenden Publikationszahlen zu diesem Thema zeigt [5]. Eine spürbar wachsende Offenheit und ein gesteigertes Interesse an partizipativer Gesundheitsforschung innerhalb verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen war fördernd für die Verbreitung und Rezeption von Erkenntnissen aus dem Forschungsverbund [2].
Weiterführenden Informationen und Beispiele der Wirkungen von PartKommPlus auf der Ebene der Wissenschaft sind im Anhang ab S. 6 zu finden.
Resümee
Angelegt an die zu Beginn angestrebten Wirkungen, die durch die Arbeit von PartKommPlus angeregt werden sollten, bestätigte sich, dass auf Ebene der beteiligten Personen und Partner*innen im Verbund vielseitige Wirkungen auftraten. Auch konnten in den meisten der beteiligten Kommunen Veränderungen angestoßen werden und Strukturen für eine partizipativ ausgerichtete kommunale Gesundheitsförderung initiiert und weiterentwickelt werden. Wo vereinzelt die Zusammenarbeit mit der kommunalen Verwaltung nicht wie geplant durchgeführt werden konnte, wurden Einzelmaßnahmen der Gesundheitsförderung vor Ort entwickelt. Es wurde deutlich, dass Partizipative Gesundheitsforschung lokales Wissen erzeugt und positive Wirkungen besonders dort möglich werden, wo die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Akteur*innen gelingt. Vielfältige Wege wurden eingeschlagen, um Praktiker*innen der Gesundheitsförderung auch außerhalb von PartKommPlus zu erreichen (z. B. durch praxisnahe Produkte oder Netzwerkarbeit); allerdings kann noch nicht eindeutig belegt werden, welche Wirkungen dies auf die Praxis der kommunalen Gesundheitsförderung insgesamt hat. Hervorzuheben sind hier die Weiterbildungsformate, die aus PartKommPlus hervorgingen, und auf reges Interesse stoßen. Auch die möglichen Wirkungen in unterschiedlichen wissenschaftlichen Bereichen können zu diesem Zeitpunkt noch nicht abschließend eingeschätzt werden. In vielen Bereichen konnte Interesse geweckt und bestärkt sowie Erkenntnisse aus und über partizipative Gesundheitsforschung verbreitet werden. Inwieweit diese Wirkungen zu Veränderungen in der Forschungs- und/oder Gesundheitsförderungspraxis führen, wird sich wohl erst zukünftig offenbaren. Insgesamt konnte PartKommPlus mit dazu beitragen, dass sich die Bedingungen für die Partizipative Gesundheitsforschung in Deutschland derzeit verbessern und damit einer weiteren Entwicklung und Etablierung dieses Forschungsansatzes den Weg ebnen.