Wirkungsbeschreibung der Koordinierungsstelle des Forschungsverbundes PartKommPlus

Berlin, 21.04.2021

Zusammenfassung

Die Koordinierungsstelle von PartKommPlus - Forschungsverbund für gesunde Kommunen hatte den Anspruch den Verbund gemäß den Prinzipien der Partizipativen Gesundheitsforschung möglichst kooperativ zu leiten sowie einen partizipativen Forschungsprozess auf Verbundebene zu den übergeordneten Zielen zu unterstützen und zu begleiten.

In der nachfolgenden Wirkungsbeschreibung wird thematisiert, inwieweit die Koordinierungsstelle dieses Vorhaben wie geplant verwirklichen konnte. Die Wirkungsbeschreibung bezieht sich auf die gesamte Laufzeit des Forschungsverbundes von Januar 2015 bis Januar 2021 und legt insbesondere die Herausforderungen in der Verbundkoordination offen. Im Ausblick der Beschreibung werden Lessons learned aus den Erfahrungen der Verbundkoordination abgeleitet. Auf Basis von Wirkungskarten und den Ergebnissen einer qualitativen Dokumentenanalyse wurden folgende Wirkungen auf die Mitglieder von PartKommPlus und auf den Forschungsprozess auf Verbundebene identifiziert:

1. Wirkungen bei den Mitgliedern des Verbundes

Die Koordinierungsstelle von PartKommPlus trug zu Beginn des Vorhaben mit dazu bei, dass sich anfängliche Unsicherheiten bei Mitgliedern der Teilprojekte verstärkten, u. a. da sie den Bedarf an fachlicher Unterstützung nicht ausreichend adressierte. Durch gezielte Unterstützungsangebote, die von der Koordinierungsstelle ausgingen, konnten diese Unsicherheiten im Verlauf zunehmend abgebaut werden. Auch der Beziehungsaufbau und die Entwicklung einer Verbundidentität gestaltete sich mitunter herausfordernd. Auf diese Prozesse konnte die Koordinierungsstelle einwirken, indem sie persönlichen Kontakt und Austausch unter Verbundmitglieder förderte, Druck bei der Beantwortung der übergeordneten Fragestellungen nahm und versuchte viele Entscheidungen mit den Teilprojektleitungen gemeinsam zu fällen.

2. Wirkungen auf den Forschungsprozess auf Verbundebene

Es gelang auf Verbundebene trotz verschiedener Bemühungen der Koordinierungsstelle nicht, eine umfassende Verständigung über zentrale Begriffe und die Entwicklung einer gemeinsamen Sprache zu erreichen. Die gemeinsamen Ziele und Forschungsfragen wurden im Verlauf umformuliert, damit sich mehr Beteiligte in den Zielen des Verbundes wiederfinden konnten. Der Arbeitskreis zur Erforschung der übergeordneten Fragen, zu dem auch die Koordinierungsstelle gehörte, veränderte aufgrund verschiedener Schwierigkeiten mehrmals sein Vorgehen. Der Arbeitskreis löste sich nach einem Jahr auf. Daraufhin wurde eine andere Form des gemeinsamen Forschens auf Verbundebene entwickelt: Statt zentral teilprojektübergreifende Fragestellungen zu untersuchen, begannen sich einzelne Verbundmitglieder in selbständig zusammengefundenen Arbeitsgruppen mit ausgewählten Fragen zu beschäftigten. Da sich dieses Vorgehen bewährte, wurde es auch in der zweiten Förderphase von PartKommPlus umgesetzt und von der Koordinierungsstelle unterstützt. Um die Partizipation der nichtwissenschaftlichen Beteiligten auf Verbundebene zu ermöglichen, wurden ebenfalls verschiedene Ansätze ausprobiert. Eine Stärkung wurde hierbei u. a. durch strukturelle Veränderung der Arbeitstreffen auf Verbundebene, eine Arbeitsgruppe zum Austausch für die nichtwissenschaftlichen Beteiligten untereinander und die Bearbeitung von Themen mit unmittelbarem Bezug zu den Teilprojekten erreicht.

Die Bestrebungen bezüglich einer kooperativen Leitung und der Ermöglichung eines partizipativen Forschungsprozesses auf Verbundebene konnten von der Koordinierungsstelle nicht durchgehend verwirklicht werden. Die hohen Ansprüche verursachten Probleme, boten jedoch auch das Potential zur Entwicklung. Die Veränderungen im Prozess zeugen von den Auseinandersetzungen und Weiterentwicklungen, die in PartKommPlus stattfanden und als Wirkungen der Zusammenarbeit angesehen werden können.

Projektvorstellung

Aufgaben der Koordinierungsstelle:

Die Koordinierungsstelle von PartKommPlus hatte verschiedene Aufgaben. Eine zentrale Tätigkeit bestand in der Organisation der Arbeit des Verbunds. Es wurden Arbeitsabläufe, Verantwortlichkeiten und Ressourcen geplant, koordiniert und dokumentiert sowie Maßnahmen der Qualitätssicherung angewendet. Weitere Aufgaben reichten von der Beschreibung und Fokussierung der gemeinsamen Ziele und Fragen, über Teamentwicklung oder die Kommunikation und Vernetzung der einzelnen Teilprojekte untereinander bis hin zur Entwicklung gemeinsamer Produkte und Öffentlichkeitsarbeit [vgl. 1].

 „Ein Forschungsverbund ist nicht einfach ein großes Forschungsprojekt. Ein Forschungsverbund vereint mehrere Einzelprojekte (Teilprojekte, Forschungsgruppen etc.), die auf gemeinsame Ziele und Ergebnisse ausgerichtet sind. In einem Verbund finden auf verschiedenen Ebenen (Einzelprojekte, Gruppen von Einzelprojekten und Verbund) Forschungsarbeiten statt, die zu planen und aufeinander abzustimmen sind, die aber gleichzeitig einen eigenen Stellenwert haben und eigenständige Ergebnisse hervorbringen.“ [1, S. 10]

Ein Alleinstellungsmerkmal stellte der Anspruch dar, das Aufgabenspektrum der Koordinierungsstelle möglichst partizipativ umzusetzen. Angelehnt an den Prinzipien der Partizipativen Gesundheitsforschung [2] wurde eine hohe Beteiligung der Verbundmitglieder, insbesondere der Teilprojektleitungen, in Form einer kooperativen Leitung angestrebt. Eine kooperative Leitung („collaborative leadership“) zeichnet sich unter anderem durch gemeinsame Visionen und Werte, gegenseitigen Respekt, die Einbeziehung von Unterschieden sowie eine geteilte Verantwortung und eine nichthierarchische/ kollektive Führung aus [3].

Arbeitsstrukturen der Koordinierungsstelle:

In dem Forschungsverbund PartKommPlus arbeiteten verschiedene Personengruppen in unterschiedlichen Konstellationen zusammen: Bürger*innen aus verschiedenen Settings und mit unterschiedlichen Hintergründen, Wissenschaftler*innen aus unterschiedlichen Disziplinen sowie Praktiker*innen aus Bereichen wie der Gesundheitsförderung, Heilpädagogik, Kinder-, Jugend- und Seniorenarbeit, Kommunalverwaltung oder Stadtentwicklung. So verschieden die Mitglieder des Verbundes waren, so unterschiedlich erwiesen sich auch die Begrifflichkeiten, die für oder von den Personengruppen gewählt wurden (z. B. Peer-Forschende, Praxispartner*innen oder akademisch Forschende). Die Zusammenarbeit und Vernetzung im Verbund wurde von der Koordinierungsstelle mithilfe folgender Formate strukturiert:

  • Koordinierungsrunden: 1-mal monatlich angesetzte Telefon-/ oder Videokonferenzen mit je einer Vertretung aus den Teilprojekten (meistens den Projektleitungen) als Entscheidungsgremium
  • Klausurtage: 1- bis 2-mal jährlich stattfindende Treffen der Projektleitungen (eingeführt Ende 2016) als Forum zur Debatte und Einigung
  •  Kolloquien: 2-mal jährlich erfolgende Arbeitstreffen über 2-3 Tage mit mehreren Vertreter*innen aus den verschiedenen Projekten sowie externen Gästen; es war vorgesehen, dass neben Wissenschaftler*innen auch Praxispartner*innen und/oder Peerforschende aus den Teilprojekten teilnahmen; innerhalb der zweiten Förderphase wurden zudem Beiratsmitglieder zu den Kolloquien eingeladen

Neben der Planung, Moderation und Dokumentation dieser und weiterer gesonderter Veranstaltungen (z. B. der Online-Workshopreihe) unterstützte die Koordinierungsstelle die Verbundmitglieder bei der Einreichung, Organisation und Durchführung gemeinsamer Tagungsbeiträge. Auch übernahmen Mitarbeitende des Koordinierungsteams die Herausgeberschaft oder die Leit-/ bzw. Mitautor*innenschaft bei gemeinsamen Veröffentlichungen. Die Koordinierungsstelle kümmerte sich um die Pflege der Internetseite, die Erstellung von Flyern und eines Vorstellungsvideos für den Verbund. Sie stimmte sich mit dem Projektträger ab und verantwortete die regelmäßige und fristgerechte Berichterstattung über die Tätigkeiten und Mittelverwendung im Verbund.

In der zweiten Förderphase kamen die Aktualisierung der Internetseite und die Begleitung der Teilprojekte bei der Erstellung ihrer Wirkungsbeschreibungen als Aufgaben für die Koordinierungsstelle hinzu. Darüber hinaus hielten Mitarbeitende der Koordinierungsstelle Kontakt zur Koordinationsstelle der BMBF-geförderten Forschungsverbünde für Primärprävention und Gesundheitsförderung (PRESENT) und vernetzten sich im Rahmen des Forschungsnetzwerks für Primärprävention und Gesundheitsförderung (FP2G).

Für die Begleitung des gemeinsamen Forschens auf Verbundebene, die sogenannte Synthesebildung, wurde zu Beginn der ersten Förderphase ein Arbeitskreis innerhalb von PartKommPlus gegründet. Die Koordinierungsstelle, Vertreter*innen des Robert Koch-Instituts (RKI), des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu) und Gesundheit Berlin-Brandenburg (GBB) gehörten diesem Arbeitskreis an. Er sollte die Teilprojekte bei der Planung und Umsetzung der Synthesebildung sowie in der Ergebniskommunikation unterstützen. Das gesamte Vorhaben hatte den Namen „Integration & Synthese“ (I&S) und war als ein gemeinsamer Forschungsprozess geplant. I&S bestand ursprünglich aus drei Teilen: 1) den Kolloquien als Ort der Reflexion und der gemeinsamen Erkenntnisgewinnung, 2) vertiefenden Studien in ausgewählten Partnerkommunen und 3) Dialog, bei dem die gemeinsam gewonnenen Ergebnisse an Kommunen außerhalb des Verbundes kommuniziert werden sollten, um ihre Gültigkeit zu prüfen. Die Teilprojekte sollten zudem durch das Ausfüllen einer „Forschungsmatrix“ den Arbeitskreis über die eigene Arbeit informieren und zu einer Datenbasis beitragen. Die Arbeitsweise für die Synthesebildung wurde im Verlauf der ersten Förderphase angepasst (siehe Wirkungsbeschreibung Teil 2 b+c).

Beteiligte Personen und Organisationen

  • Michael T. Wright, Verbundleitung und Projektkoordination
  • Andreas Bethmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter
  • Petra Narimani, wissenschaftliche Mitarbeiterin
  • Theresa Allweiss, wissenschaftliche Mitarbeiterin
  • Elise Kohnert, studentische Mitarbeiterin bis 31.03.2020
  • Nikola Schwersensky, studentische Mitarbeiterin bis 31.06.2018
  • Susanne Hartung, Mitarbeiterin bis 31.05.2018
  • Martina Block, Mitarbeiterin bis 31.01.2018
  • Florian Heise, studentischer Mitarbeiter bis 31.01.2018
  • Christina Schütze, studentische Mitarbeiterin bis 31.01.2018
  • Elisabeth Rott, studentische Mitarbeiterin bis 31.01.2017
  • Laura Hennig, studentische Mitarbeiterin bis 31.12.2015

 alle: Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin

Produkte

Mitglieder der Koordinierungsstelle arbeiteten an folgende Veröffentlichungen als Herausgeber*innen mit:

  • Schwerpunktheft zu Wirkungen in der Partizipativen Gesundheitsforschung: Wright MT, Salsberg J, Hartung S (2018) Impact in Participatory Health Research. BioMed Research International 2018:3907127. DOI 10.1155/2018/3907127
  • Sammelband zu Partizipativer Gesundheitsforschung weltweit: Wright MT, Kongats K (Hrsg) (2018) Participatory Health Research. Voices from Around the World. Springer, Cham, Switzerland. ISBN 978-3-319-92177-8
  • Sammelband (Open-Access) zu Methoden Partizipativer Gesundheitsforschung: Hartung S, Wihofszky P, Wright MT (Hrsg) (2020) Partizipative Forschung. Springer Fachmedien Wiesbaden, Wiesbaden. ISBN 978-3-658-30360-0
  • Themenheft zu Gesundheitlicher Chancengleichheit und Partizipativer Gesundheitsforschung: Bär G, Santos-Hövener C, Sass A, Wright MT (2021) Partizipative Gesundheitsforschung. Gesundheitliche Chancengleichheit durch gemeinsames Forschen verbessern. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz. doi.org/10.1007/s00103-020-03276-8

Darüber hinaus wurden in Zusammenarbeit mit Vertreter*innen der Teilprojekte diverse Einzelbeiträge verfasst:

  • Bach M, Wright MT, Hartung S, Santos-Hövener C, Jordan S (2016) Participatory epidemiology: advancing the theory and practice. European Journal of Public Health 26. doi.org/10.1093/eurpub/ckw170.074
  • Bach M, Jordan S, Hartung S, Santos-Hövener C, Wright MT (2017) Participatory epidemiology: the contribution of participatory research to epidemiology. Emerg Themes Epidemiol 14:2. doi.org/10.1186/s12982-017-0056-4
  • Wright MT, Hartung S, Bach M et al. (2018) Impact and Lessons Learned from a National Consortium for Participatory Health Research. PartKommPlus - German Research Consortium for Healthy Communities (2015–2018). BioMed Research International 2018:5184316. doi.org/10.1155/2018/5184316
  • Wright MT, Burtscher R, Wihofszky P (2018) PartKommPlus: German Research Consortium for Healthy Communities—New Developments and Challenges for Participatory Health Research in Germany. In: Wright M T, Kongats K (Hrsg) Participatory Health Research. Voices from Around the World. Springer, Cham, Switzerland, S 117–126
  • Hartung S, Wihofszky P, Wright MT (2020) Partizipative Forschung – ein Forschungsansatz für Gesundheit und seine Methoden. In: Hartung S, Wihofszky P, Wright M T (Hrsg) Partizipative Forschung. Springer Fachmedien Wiesbaden, Wiesbaden, S 1–19
  • Wihofszky P, Wright MT, Kümpers S, Layh S, Bär G, Schaefer I (2020) Reflektieren in Forschungsgemeinschaften: Ansatzpunkte, Formate und Erfahrungen. In: Hartung S, Wihofszky P, Wright M T (Hrsg) Partizipative Forschung. Springer Fachmedien Wiesbaden, Wiesbaden, S 63–84
  • Wihofszky P, Hartung S, Allweiss T et al. (2020) Photovoice als partizipative Methode: Wirkungen auf individueller, gemeinschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene. In: Hartung S, Wihofszky P, Wright M T (Hrsg) Partizipative Forschung. Springer Fachmedien Wiesbaden, Wiesbaden, S 85–141
  • Wright MT (2021) Partizipative Gesundheitsforschung: Ursprünge und heutiger Stand (Participatory health research: origins and current trends). Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 64:140–145. doi.org/10.1007/s00103-020-03264-y
  • Bär G, Hövener C, Wright MT, Saß A-C (2021) Demokratisch und emanzipatorisch – Partizipative Gesundheitsforschung hat hohes Potenzial (Democratic and emancipatory-participatory health research has a high potential). Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 64:137–139. doi.org/10.1007/s00103-020-03276-8
  • Schaefer I, Narimani P (2021) Ethische Aspekte in der partizipativen Forschung – Reflexion von Herausforderungen und möglichen Beeinträchtigungen für Teilnehmende (Ethics in participatory research-reflection on challenges and possible impairments for participants). Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 64:171–178. doi.org/10.1007/s00103-020-03270-0
  • Bethmann A, Behrisch B, Peter S von (2021) Förder- und Rahmenbedingungen für Partizipative Gesundheitsforschung aus Projektsicht (Funding conditions and framework conditions for participatory health research from a project's perspective). Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 64:223–229. doi.org/10.1007/s00103-020-03274-w
  • Allweiss T, Cook T, Wright MT (2021) Wirkungen in der partizipativen Gesundheitsforschung: Eine Einordnung in die Diskurse zum Forschungsimpact (Research impact and participatory health research: an international debate). Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 64:215–222. doi.org/10.1007/s00103-020-03268-8
  • Brandes M, Muellmann S, Allweiss T et al. (2021) Evidenzbasierung in Primärprävention und Gesundheitsförderung: Methoden und Vorgehensweisen in 5 Forschungsverbünden (Evidence-based primary prevention and health promotion: methods and procedures in 5 research consortia). Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz. doi.org/10.1007/s00103-021-03322-z
  • Praxispartner*innen/Mitforschende des Forschungsverbundes PartKommPlus (2021) „DIE UMSETZUNG ERFOLGT VOR ORT“. Diskussionspapier der Praxispartner*innen und Mitforschenden des Forschungsverbundes, Berlin. Stand: März 2021.
  • Narimani P, Wright MT (2021) Partizipation in der Gesundheitsförderung und Prävention mit Migrant*innen. In: Spallek J, Zeeb H (Hrsg) Handbuch Migration und Gesundheit. Grundlagen, Perspektiven und Strategien. Hogrefe, Bern
  • Wihofszky P, Hartung S, Narimani P (vsl. 2022) Ethische Reflexion in der Gesundheitsförderung: Ansatzpunkte der Partizipation und Partizipativen Gesundheitsforschung. In: Riedel A, Lehmeyer S (Hrsg) Ethik im Gesundheitswesen. Springer Reference Pflege-Therapie-Gesundheit, Berlin, Heidelberg

Wirkungsbeschreibung

Hintergrund

Der Ansatz der Partizipativen Gesundheitsforschung war nicht nur für die einzelnen Teilprojekte handlungsleitend, sondern auch für die Koordination des Verbundes. Die Koordinierungsstelle wollte den Verbund kooperativ leiten und eine partizipative Forschung auf Verbundebene ermöglichen und begleiten. Inwieweit die Koordinierungsstelle, zusammen mit allen weiteren Verbundmitgliedern, dieses Vorhaben wie geplant verwirklichen konnte, ist Thema der vorliegenden Wirkungsbeschreibung. Sie basiert hauptsächlich auf den Ergebnissen von Wirkungskarten (sogenannten Impact-Mappings) und einer Dokumentenanalyse verbundinterner Protokolle und Dokumentationen (mehr Informationen zum methodischen Vorgehen bei der Erstellung der Wirkungsbeschreibungen in PartKommPlus finden Sie hier).

Die Erarbeitung dieser Wirkungsbeschreibung hielt eine besondere Herausforderung bereit: Obgleich die Koordinierungsstelle eigene Aufgaben und Ziele verfolgte, kann ihre Arbeit nie losgelöst vom Rest des Forschungsverbundes gesehen werden. Sie arbeitete für und mit den Teilprojekten, wirkte auf diese ein und ließ sich von ihnen beeinflussen. In diesem wechselseitigen Zusammenspiel ist es kaum möglich dezidiert zu beschreiben, welche Wirkungen allein der Koordinierungsstelle zugeschrieben werden können. Der Fokus der Wirkungsbeschreibung liegt daher auf dem Prozess der Zusammenarbeit im Verbund und wie sich dieser auf die Mitglieder von PartKommPlus und den Forschungsprozess auf Verbundebene auswirkte – aus Perspektive der Koordinierungsstelle.

Im Bereich der Gesundheitsforschung gab es in Deutschland bisher keine anderen Verbünde mit einem ähnlichen Anspruch an Partizipation und Kooperation. Daher bot PartKommPlus einerseits den Rahmen, um Neues auszuprobieren, andererseits konnten keine Vorbilder für eine partizipative Verbundkoordination zur Orientierung herangezogen werden. Hinzu kommt, dass Probleme im Forschungsprozess selten offen thematisiert werden und es mitunter schwierig ist, etwas über typische Konfliktlagen und deren mögliche Lösungswege zu erfahren. Um dies für künftige Vorhaben zu erleichtern, wurde besonders Wert darauf gelegt, auch die Herausforderungen der Koordination und Leitung zu beschreiben. Die Wirkungsbeschreibung bezieht sich auf die gesamte Laufzeit des Forschungsverbunds von Januar 2015 bis Januar 2021. Einen Schwerpunkt bilden jedoch die ersten Jahre der Zusammenarbeit im Verbund, da es in diesem Zeitraum besondere Hürden zu überwinden galt und viele Veränderungsprozesse stattfanden.

 

Wirkungen und Wirkungswege in PartKommPlus

Teil 1: Wirkungen bei den Mitgliedern des Verbundes

a) Verstärkung und Abbau von Unsicherheiten

Innerhalb von PartKommPlus waren gerade zu Beginn der ersten Förderphase viele Unsicherheiten spürbar. Diese betrafen beispielsweise die Gestaltung der kooperativen Leitung auf Verbundebene, die Umsetzung Partizipativer Gesundheitsforschung in den Fallstudien, die Zusammenarbeit mit I&S oder die zukünftige Bewertung des Verbunderfolges. Faktoren, die diese Unsicherheiten begünstigten, waren vermutlich a) unterschiedliche Prozessgeschwindigkeiten b) anfängliches Konkurrenzempfinden zwischen Teilprojekten, c) wenig bis keine praktischen Erfahrungen mit Partizipativer Gesundheitsforschung bei vielen Verbundmitgliedern, d) empfundener Leistungsdruck bei den Projektleitungen u. a. durch die Bedeutung der Förderung im Rahmen des Förderprogramms „Präventionsforschung“. [4]

Vor diesem Hintergrund äußerten die akademischen Mitglieder der Teilprojekte gegenüber der Koordinierungsstelle Unterstützungsbedarf in Bezug auf den Aufbau und die Umsetzung ihrer eigenen Fallstudien. Von der Koordinierungsstelle gingen daraufhin verschiedene Angebote aus. Einige dieser Angebote wurden fester Bestandteil der Zusammenarbeit (z. B. Kurzberichte aus den Teilprojekten zu Beginn jeder Koordinierungsrunde), andere fanden einmalig bzw. punktuell statt (z. B. kollegiale Beratungen und Projektbesuche). Im Koordinierungsteam wurde darüber diskutiert, wie sie die Beratungsrolle ausfüllen sollten und wann der Wechsel in moderierende oder forschende Rollen angebracht wäre. Dabei wurde auch grundsätzlich gefragt, ob sie selbst beratend tätig sein sollten, weil sie damit eventuell zu stark in die Teilprojekte eingreifen könnten. Vor diesem Hintergrund bot die Koordinierungsstelle an, bei Bedarf Beratungsgespräche mit anderen Verbundmitgliedern zu führen, verankerte Unterstützungsmaßnahmen aber nicht strukturell (z. B. als festen Bestandteil der Kolloquien). [4]

Der Bedarf an fachlicher Unterstützung, kollegialer Beratung und einem „forschungsfreien Raum“ (einem Raum, in dem die Reflexion der Forschungsprozesse nicht dokumentiert und ausgewertet wird) konnte in der Rückschau nicht zur vollen Zufriedenheit aller Verbundmitglieder gedeckt werden – auch wenn einige die unterbreiteten Unterstützungsnagebote als sehr nützlich einschätzten. Dieser Umstand rief wahrscheinlich gerade zu Beginn der gemeinsamen Arbeit zusätzliche Verunsicherung hervor und verstärkte Unmut unter einigen Beteiligten, da sie sich in ihren Bedürfnissen nicht wahrgenommen fühlten. [4]

b) Beziehungsaufbau und Entwicklung einer Verbundidentität

Besonders in den ersten Monaten der Projektlaufzeit und während der ersten Kolloquien von PartKommPlus gestalteten sich die Beziehungen im Verbund teilweise schwierig. Einige Wissenschaftler*innen der Teilprojekte schienen mit den Arbeitsweisen der Koordinierungsstelle – insbesondere in Bezug auf die Synthesebildung (siehe Wirkungsbeschreibung Teil 2) – unzufrieden zu sein. Folglich äußerten sie sich gegenüber Ideen der Koordination skeptisch oder zeigten wenig Mitverantwortung für Prozesse auf Verbundebene. Das führte wiederum aufseiten der Koordinierungsstelle zu Frust und Unsicherheit. Der Beziehungsaufbau innerhalb von PartKommPlus war auch dadurch erschwert, dass an den Koordinierungsrunden nicht immer dieselben Personen aus den Teilprojekten teilnahmen und es Informationsverluste bei der Weitergabe des Besprochenen gab. Das beeinträchtigte die Verständigung und führte vereinzelt zu Missverständnissen. In Kombination mit der Heterogenität, Größe und Komplexität des gesamten Verbundes war die Entwicklung einer Verbundidentität eine Herausforderung. Es schien sich zu Beginn der ersten Förderphase eine Aufteilung zwischen „Ihr“ (in den Teilprojekten) und „Wir“ (in der Koordinierungsstelle) zu entwickeln, die die gemeinschaftliche Arbeit auf Verbundebene komplizierte. [4]

Auch wenn sich die Beziehungsgestaltung auf Verbundebene herausfordernd gestaltete, konnte die zur Zusammenarbeit notwendige Vertrauensbasis im Verlauf hergestellt und erhalten werden. Die Wertschätzung zwischen den Verbundmitgliedern untereinander stieg und die Vorstellung, was auf Verbundebene zu bewerkstelligen war, konkretisierte sich zunehmend. Vor allem der persönliche Kontakt und der Austausch auf den Kolloquien waren dafür hilfreich. Hier erfuhren viele Beteiligte, dass andere Teilprojekte ähnliche Erfahrungen machten und ähnliche Befürchtungen teilten wie sie selbst. Das wurde als erleichternd erlebt und trug dazu bei, dass die Teams der Teilprojekte langsam mehr Vertrauen in ihre Arbeit fassten und ihre Unsicherheiten ablegten. Entlastend war für die Teilprojekte zudem, dass der Druck bei der Synthesebildung durch strukturelle Veränderungen genommen wurde (siehe Teil 2 b+c). Die Teilprojekte zeigten mehr Interesse am Verbund, brachten sich häufiger ein, übernahmen mehr Verantwortung und unterstützten sich gegenseitig. Neben dem Beziehungsaufbau war dafür wahrscheinlich förderlich, dass viele Entscheidungen mit den Teilprojektleitungen diskutiert und gemeinsam gefällt wurden. Im Laufe der Zeit konnte sich eine gemeinsame Identität zwischen einzelnen Teilprojekten und Mitgliedern des Verbundes entwickeln. Obgleich der Aufbau einer starken Verbundidentität über alle Beteiligten hinweg ausgeblieben ist, wurde die zu Beginn gefestigte Unterscheidung zwischen „Ihr“ und „Wir“ zunehmend geringer. [4]

Teil 2: Wirkungen auf den Forschungsprozess auf Verbundebene

a) Gemeinsames Verständnis, gemeinsame Ziele und Forschungsfragen

Ein wichtiger Faktor, der das partizipative Arbeiten auf Verbundebene wahrscheinlich beeinflusste, war, dass eine kleine – vorwiegend akademische – Gruppe die Ziele des Verbundes in der Antragsstellung bestimmt hatte und kein partizipativer Aushandlungsprozess mit allen Verbundmitgliedern stattfand. Die Ziele waren abstrakt und wissenschaftstheoretisch formuliert. Nicht alle später hinzugekommenen Personen, beispielsweise Peer-Forschende, Praxispartner*innen oder Projektmitarbeitende, konnten sie verstehen und/oder sich unmittelbar mit ihnen identifizieren. Sie führten zunächst zu keiner gemeinsamen „Klammer“ für die Zusammenarbeit im Verbund. Kommunale Strategien der Gesundheitsförderung und die Weiterentwicklung der Partizipativen Gesundheitsforschung schienen für Teile des Verbundes interessant zu sein, für andere nicht. Hinzu kam, dass die Themen, an denen die Teilprojekte vor Ort arbeiteten, sich sehr voneinander unterschieden. Sie reichten von der Zusammenarbeit von Eltern und Fachkräften in der Kita über gesundheitsförderliche Lebenswelten für Ältere bis hin zu partizipativen Ansätzen in Epidemiologie und Gesundheitsberichterstattung. Vor allem die Praxispartner*innen und beteiligten Bürger*innen schienen sich zunächst überwiegend für die spezifischen Ziele in ihren Teilprojekten zu interessieren. Allerdings wurde es auf Verbundebene auch lange Zeit versäumt Angebote zur Mitarbeit direkt an diese Gruppen zu adressieren. [4]

Innerhalb des Verbundes sprachen die Beteiligten überdies verschiedene „Sprachen“. Einerseits kann dies als notwendig und unproblematisch gewertet werden, zum Beispiel, wenn in den Teilprojekten die für sie passenden Bezeichnungen für Partner*innen oder Arbeitsformate ausgehandelt wurden; andererseits führten die unterschiedlichen „Sprachen“ mitunter zur Ausgrenzung einzelner Gruppen, zu Missverständnissen und Konflikten. Die Koordinierungsstelle versuchte dem zu begegnen, indem sie ein Papier in möglichst einfacher Sprache [5] über den Verbund erstellte und auf der Website ein Glossar angelegte. Ein teilprojektübergreifender partizipativer Klärungs- und Verständigungsprozess blieb jedoch – bis auf einige Gruppenarbeiten auf den Kolloquien – weitestgehend aus. Daher gelang es auf dieser Ebene nicht eine umfassende Verständigung über zentrale Begriffe und die Entwicklung einer gemeinsamen Sprache zu erreichen. [4]

Ein Beispiel für die Schwierigkeiten mit dem Gebrauch verschiedener Sprachen ist der Begriff „Integrierte Kommunale Strategien“ (IKS), der im Forschungsantrag in der Zielformulierung verwendet wurde. Dem Arbeitskreis I&S fiel nach dem ersten Jahr der Zusammenarbeit auf, dass der Ausdruck IKS in den Teilprojekten und vor allem bei den beteiligten Praktiker*innen und Partnerkommunen wenig Verwendung fand. Die Mitglieder des Arbeitskreises thematisierten diese Beobachtung auf dem 3. Kolloquium (Februar 2016) und initiierten eine Diskussion. Begriffe wie „Präventionskette“ oder „Netzwerkarbeit“ waren unter den Teilnehmenden verbreiteter als IKS. Daher wurde auf der ersten Klausurtagung im Juli 2016 eine Umformulierung der Forschungsziele beschlossen. Diese Anpassung hat zu einem gemeinsamen Verständnis beigetragen, sodass sich seitdem mehr Beteiligte in den Zielen des Verbundes wiederfinden konnten. [4, 6, 7]

b) Veränderungen innerhalb des Arbeitskreises I&S

Der Arbeitskreis I&S war ein besonderer Bestandteil von PartKommPlus. Eine vergleichbare Organisationsform war noch nicht in vorangegangenen Projekten erprobt worden, arbeitsintensiv und von der Mitarbeit aller im Verbund abhängig. Diese Aspekte stellten große Hürden dar. Der Arbeitskreis musste fortwährend um die Mitarbeit der Teilprojekte werben und seine Strategie immer wieder anpassen. Im Mai 2015 wurde beschlossen, die Kolloquien weniger häufig als geplant stattfinden zu lassen (statt 3-mal nur noch 2-mal jährlich), da der organisatorische, zeitliche und finanzielle Aufwand von den Teilprojekten als zu groß eingeschätzt wurde (v. a. mit Blick auf die Beteiligung der Peer-Forschenden und Praxispartner*innen). Die Koordinierungsstelle erarbeitete zusammen mit dem Arbeitskreis I&S daraufhin eine erweiterte Datenerhebungsstrategie und führte in der Zeit zwischen den Kolloquien mit Vertreter*innen der Teilprojekte Telefoninterviews durch. [4]

Die Datenerhebungsstrategie wurde innerhalb des Verbundes kritisch diskutiert und erzeugte bei einigen Beteiligten Ablehnung. Das geplante Vorgehen wurde aus Sicht von Teilprojekten als zu hegemonial und zu wenig partizipativ wahrgenommen. Es war für viele Beteiligte neu, Daten aus ihren Teilprojekten schon während des Forschungsprozesses mit Dritten zu teilen und auszuwerten. Die Teilprojekte fühlten sich unter Druck, Ergebnisse zu früh liefern zu müssen und sorgten sich, dass zu zeitig herausgegebene Daten später keinen Bestand mehr haben könnten. Daneben wurden auch ethische und datenschutzrechtliche Bedenken geäußert und die volle Transparenz über die Daten und den Auswertungsprozess gefordert. Gerade in den ersten eineinhalb Jahren der Verbundlaufzeit hatten die Teilprojekte sehr viele interne Aufgaben zu erfüllen, die ihre volle Aufmerksamkeit erforderten (z. B. die Gewinnung und Schulung von mitforschenden Bürger*innen, den Aufbau von partizipativen Forschungsteams oder Netzwerkarbeit in den jeweiligen Partnerkommunen). Vor diesem Hintergrund war der Zeitpunkt der Datenerhebung von dem Arbeitskreis I&S eventuell zu früh angesetzt worden. Auch ließ die I&S-Struktur wenig Spielraum für die Partizipation der Teilprojekte, was den Aufbau einer Forschungsgemeinschaft auf Verbundebene hemmte. Das Sammeln von Forschungsdaten auf Verbundebene war dadurch nur eingeschränkt möglich. [4]

In der Koordinierungsrunde im Mai 2016 stellte der Arbeitskreis I&S folglich fest: „Die bisher vorgeschlagenen und ausprobierten Vorgänge (Datenerhebung auf Kolloquien, Interviews mit den Teilprojekten, Interviews vor Ort mit kommunalen Akteur/inn/en) haben bisher keine ausreichende Grundlage für die Bearbeitung der gemeinsamen Fragen ergeben bzw. wurden für unangemessen gehalten.“ [8] Die Bearbeitung der teilprojektübergreifenden Fragen musste daher neu konzipiert werden.

c) Findung anderer Formen gemeinsamen Forschens auf Verbundebene

Im zweiten Jahr von PartKommPlus wurde die Strategie für die Synthesebildung verändert: Statt zentral und umfassend teilprojektübergreifende Fragestellungen zu untersuchen, begannen sich einzelne Verbundmitglieder in selbständig zusammengefundenen Arbeitsgruppen mit ausgewählten Fragen zu beschäftigten. Die Mitarbeitenden der Koordinierungsstelle unterstützen diese Arbeitsgruppen organisatorisch (z. B. indem auf den Kolloquien für die Arbeitsgruppen feste Zeitfenster eingeplant wurden) und inhaltlich (z. B. indem sie Gruppen leiteten oder als Teilnehmende mitwirkten). Die Fragestellungen entwickelten sich in den Gruppen weitgehend induktiv, aber in großer Übereinstimmung mit den Verbundzielen. Die Mitglieder der Arbeitsgruppen arbeiteten ebenfalls an gemeinsamen Veröffentlichungen, um die verschiedenen Ergebnisse aus den Teilprojekten zusammenzuführen [9]. Es gab keine feste Gruppe mehr, die die Bearbeitung der Verbundziele gezielt verfolgte. Anstelle einer Untersuchungsgemeinschaft auf Verbundebene entstanden viele Untersuchungsgemeinschaften, die zum Teil in wechselnder Besetzung, temporär und gegenstandsbezogen forschten. Schließlich löste sich der Arbeitskreis I&S auf und das RKI und das Difu entwickelten eigene Teilprojekte: P&E und K3.

Zum Ende der ersten Förderphase wurde zudem ein vereinfachtes Delphiverfahren unter Beteiligung aller neuen und alten Teilprojekte durchgeführt. So konnten zusätzlich teilprojektübergreifende Daten gesammelt und ausgewertet werden. Die Ergebnisse des Verfahrens wurden in einem Arbeitspapier veröffentlicht, das einen Überblick zu projektübergreifenden Erkenntnissen und Empfehlungen des Forschungsverbunds bietet. [10]

In der zweiten Förderphase von PartKommPlus erfolgte die Synthesebildung ebenfalls in dezentralisierten Kleingruppen, da sich dieses Vorgehen bereits bewährt hatte. Dementsprechend fanden sich verschiedene Verbundmitglieder in unterschiedlichen Konstellationen zusammen und bearbeiteten einzelne Bereiche der Verbundziele. Dadurch wurden Syntheseleistungen erfolgreich erbracht und die Arbeit an gemeinsamen Veröffentlichungen fortgesetzt. [4, 9]

d) Partizipation der nichtwissenschaftlichen Verbundmitglieder

Während die Einbindung von Praktiker*innen und Bürger*innen innerhalb der Teilprojekte zumeist sehr gut funktionierte, war dies auf Verbundebene nicht durchgehend der Fall. Wenngleich einige Praxispartner*innen schon an der Antragsstellung beteiligt waren, gab es unter den nichtwissenschaftlichen Partner*innen viele, die erst im Verlauf zu einem Teilprojekt und somit zu PartKommPlus stießen. Diese fanden dann auf Verbundebene festgelegte Ziele und Strukturen vor, auf die sie wenig Einfluss hatten und die nicht immer einladend auf sie wirkten. [4]

Auf den Kolloquien – den Orten des partizipativen Forschens auf Verbundebene – waren die wissenschaftlichen Partner*innen sehr präsent und dominierten das Geschehen. Es wurde viel in theoretischer Sprache gesprochen und bei Gruppenarbeiten spezifisches Fachwissen vorausgesetzt. Häufig fehlte der Bezug zu den Fragestellungen und Verhältnissen vor Ort in den Fallstudien. Zudem berichteten einzelne Teilnehmende aus dem nichtwissenschaftlichen Bereich, dass sie auf den Kolloquien keine Kommunikation auf Augenhöhe erlebten. Auch wenn solchen negativen Rückmeldungen durchaus viele positive gegenüberstanden, haben sie bei einigen dazu geführt, die Kolloquien zu meiden. Hinzu kam der zeitliche und finanzielle Aufwand, der nicht immer von den Projekten (mit‑)abgedeckt werden konnte. Auf dem 3. Kolloquium brachte es Professorin Karen McArdle, die als Gast der Veranstaltung beiwohnte, auf den Punkt, als sie fragte: „Where are the people?“ (= Wo sind die Leute?) [11]. Es wurde daher von der Koordinierungsstelle versucht einen passenden Rahmen für die Kolloquien zu finden, um alle Beteiligtengruppen gleichermaßen einzubinden. Hierfür wurden in Abstimmung mit den Teilprojektleitungen unterschiedliche Formate und Herangehensweisen ausprobiert. Eventuell war hierbei jedoch der Anspruch, möglichst alle Beteiligtengruppen an einen Tisch zu bringen, zu hoch bzw. auf Verbundebene unpassend. [4]

In der zweiten Förderphase wurde die Gestaltung der Kolloquien in einem Punkt grundlegend verändert: Die Treffen fanden nun nicht mehr an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen in Berlin statt, sondern wanderten in die Städte und Räumlichkeiten einzelner Teilprojekte. Die Koordinierungsstelle plante die Kolloquien gemeinsam mit den jeweiligen Gastgeber*innen und stimmte die Moderation und Durchführung mit ihnen ab. Für die Beteiligten vor Ort war eine Teilnahme an den Kolloquien nun westlich einfacher möglich. Am 8., 9. und 10. Kolloquium wurden zudem Welt-Cafés ausgerichtet, die Einblicke in die Sichtweisen der unterschiedlichen Beteiligtengruppen in den gastgebenden Teilprojekten boten und einen respektvollen Austausch ermöglichten. Diese Konzeptveränderung stellte einen Wendepunkt dar, der die Zufriedenheit mit der Gestaltung der Kolloquien maßgeblich steigerte. [4]

Neben diesen strukturellen Änderungen gab es in der zweiten Förderphase ein neues teilprojektübergreifendes Thema, an dem gearbeitet wurde: Wirkungen/ Forschungsimpact. Die Zielsetzung, Wirkungsbeschreibungen für den Verbund und für jedes Teilprojekt zu erarbeiten, motivierte viele Beteiligte. Gerade für einige Praxispartner*innen und mitforschende Bürger*innen schien die Bearbeitung dieses Themenkomplexes ein Element auf den Kolloquien zu sein, bei dem sie sich gut einbringen konnten. [4]

Ferner fand auf dem 8. Kolloquium im Februar 2019 das erste Treffen einer Arbeitsgruppe für den Austausch von Praxispartner*innen und mitforschenden Bürger*innen untereinander statt. Die AG wurde von einem Mitglied aus der Koordinierungsstelle und eines Teilprojekts begleitet und bot den nichtwissenschaftlichen Verbundmitgliedern einen geschützten Rahmen, um über ihre Erfahrungen innerhalb von PartKommPlus zu sprechen. Die Diskussionen wurden an den darauffolgenden Kolloquien sowie in der Zeit zwischen den Kolloquien weitergeführt. Die AG wurde äußerst positiv aufgenommen und konnte – neben den oben genannten Aspekten – in der zweiten Förderphase mit dazu beitragen, dass die nichtwissenschaftlichen Verbundmitglieder die Kolloquien kontinuierlicher besuchten. Außerdem schien die AG einen wichtigen Raum für den Austausch und die Stärkung der Beteiligten darzustellen. Die Ergebnisse der AG wurden in dem Diskussionspapier „Die Umsetzung erfolgt vor Ort veröffentlicht [12]. Das Papier beleuchtet zentrale Themen wie Transparenz, Vergütung oder Nachhaltigkeit in der Partizipativen Gesundheitsforschung, und stellt für den Verbund insgesamt wichtige Erkenntnisse dar. [4, 12]

Resümee und Empfehlungen

Die Anforderungen an die Zusammenarbeit waren in PartKommPlus wesentlich höher als in nicht-partizipativ arbeitenden Verbünden. Auch die Ansprüche innerhalb der Koordinierungsstelle waren sehr hoch. Im Prozess der Zusammenarbeit auf Verbundebene kam es zu zahlreichen Wechselwirkungen zwischen den Aktivitäten der Teilprojekte und der Koordinierungsstelle. Die Veränderungen des eigentlich geplanten Vorgehens zeugen von den Auseinandersetzungen und Weiterentwicklungen, die in PartKommPlus stattfanden und als Wirkungen der Zusammenarbeit angesehen werden können.

Die Bestrebungen bezüglich einer kooperativen Leitung auf Verbundebene konnten nicht durchgehend verwirklicht werden. Die Basis dafür - eine feste Steuerungsrunde - konnte aufgrund von personeller Fluktuation nicht hergestellt werden. Für zukünftige Verbünde dieser Art scheint es daher empfehlenswert, gleichbleibende Ansprechpartner*innen aus jedem Teilprojekt zu benennen, die an regelmäßigen Steuerungstreffen teilnehmen und Informationen an ihre Kolleg*innen in den Teilprojekten weiterleiten, mit ihnen besprechen und an die Steuerungsrunde zurückspiegeln. Bei der Zusammensetzung der Steuerungsrunde sollte außerdem darauf geachtet werden, je eine Person aus den unterschiedlichen Gruppen von Beteiligten (Adressat*innen, Praxis, Verwaltung, Wissenschaft etc.) einzubinden.

Daneben stellte es in PartKommPlus eine wesentliche Schwierigkeit dar, eine teilprojektübergreifende Forschungsgemeinschaft auf Verbundebene aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Durch die Arbeit in dezentralisierten Arbeitsgruppen gelang eine themenspezifische Zusammenführung von Erkenntnissen, jedoch keine alle Forschungsfragen und alle Teilprojekte umfassende Synthese.

Eine Arbeitsgruppenbildung ist wichtig, um inhaltlich und/oder gruppenspezifisch zu arbeiten. Gerade die verschiedenen Beteiligtengruppen benötigen Austauschräume, in denen sie beispielsweise thematisieren können, was Partizipation in ihrem Kontext bedeutet und wie sie Partizipation dort (weiter) etablieren können. Diese Gruppen brauchen klare Strukturen und eine engmaschige Begleitung durch die Koordinierungsstelle, um die Kontinuität der Zusammenarbeit sowie deren Effektivität zu gewährleisten.

Um daneben eine teilprojektübergreifende Forschungsgemeinschaft zu bilden, ist einerseits eine Vertrauensbasis unabdingbar. Damit diese hergestellt werden kann, scheint es besonders in der vulnerablen Anfangsphase wichtig zu sein, die Teilprojekte zu unterstützen und die Anforderungen an das teilprojektübergreifende Arbeiten langsam - entsprechend der Situation in den Projekten - zu erweitern. Die Teilprojekte brauchen Zeit, sich zusammenzufinden und sich über den Rahmen ihrer Möglichkeiten vor Ort bewusst zu werden, bevor sie in der Lage sind, inhaltlich auf Verbundebene mitzuarbeiten. Hierbei sind eine aktive Kontaktaufnahme und -pflege zu den einzelnen Teilprojekten durch die Koordinierungsstelle wichtig, welche durch einen formalisierten Rahmen strukturell im Prozess verankert und transparent gemacht werden sollten. Wird gleich zu Beginn des Forschungsprozesses akzeptiert, dass alle Beteiligten (also die Forschungsgemeinschaft) gleichermaßen wissend oder unwissend in den Prozess hineingehen, wird eine Gleichberechtigung automatisch hergestellt. Nur durch eine derartige Haltung wird "Augenhöhe" erreicht.

Für eine fruchtbare Zusammenarbeit auf Verbundebene ist es andererseits elementar, dass die Beteiligten einen Nutzen daraus ziehen können. Gemeinsam Ziele zu definieren und Strategien zu deren Erreichung zu entwickeln sind wesentliche Arbeitsschritte, für die sich im Prozess Zeit genommen werden muss. In den Teilprojekten sollten darüber hinaus entsprechende personelle und zeitliche Ressourcen für die Arbeit auf Verbundebene eingeplant werden (dies gilt ebenso für die akademisch Forschenden wie für die Praxispartner*innen und Mitforschenden).

Die Wirkungsbeschreibung zeigt, dass die Arbeit nach dem Ansatz der Partizipativen Gesundheitsforschung viele Herausforderungen für die Koordination von Forschungsverbünden bereithält. Flexibilität und die Bereitschaft sich mit den Teilprojekten weiterzuentwickeln und dazuzulernen, sind wichtige Voraussetzungen, um diese Herausforderungen zu meistern. Im Rahmen von PartKommPlus konnten viele Schwierigkeiten produktiv gelöst und passende Arbeitsformen gefunden werden. Dadurch erreichte der Verbund eine hohe Produktivität. Auch der Mehrwert des partizipativen Ansatzes wurde durch die gemeinsamen Lernerfahrungen und Perspektiverweiterungen deutlich.

Quellen, Hinweise und Belege

  1. Di Giulio A, Defila R, Scheuermann M (2008) Management von Forschungsverbünden - Möglichkeiten der Professionalisierung und Unterstützung. Deutsche Forschungsgemeinschaft. Standpunkte. Wiley-VCH Verlag, Weinheim
  2. International Collaboration for Participatory Health Research (2013) Position Paper 1: What is Participatory Health Research? Version: Mai 2013, http://www.icphr.org/position-papers--discussion-papers 
  3. Lawrence RL (2017) Understanding Collaborative Leadership in Theory and Practice. New Directions for Adult and Continuing Education 2017:89-96. doi.org/10.1002/ace.20262 
  4. PartKommPlus (2020) Ergebnisse der PartKommPlus Dokumentenanalyse. Fokus: Koordinierungsstelle, Nicht-öffentliches Dokument
  5. Petra Narimani für die Koordinierungsstelle (2016) Partizipation, Partizipative Forschung, Partizipative Gesundheitsforschung und der Forschungsverbund PartKommPlus. Papier in Alltagssprache, Nicht-öffentliches Dokument
  6. Susanne Hartung für die Koordinierungsstelle, I+S, Überarbeitet durch GB, SJ, SB Zwischenresümee und Weiterentwicklung des Forschungsgegenstandes und der Forschungsfragen des Verbundes. Stand: 29.7.2016, Nicht-öffentliches Dokument
  7. PartKommPlus (2021) ANHANG 1. Änderung der Forschungsziele in PartKommPlus
  8. PartKommPlus (2016) PartKommPlus KR-Protokoll vom 09.05.2016, Nicht-öffentliches Dokument
  9. PartKommPlus (2021) Anhang 2. Liste teilprojektübergreifender Veröffentlichungen
  10. PartKommPlus (2018) PartKommPlus - Forschungsverbund für gesunde Kommunen. Erkenntnisse und Empfehlungen im Überblick. Januar 2018   
  11. Block M, Bethmann A, Hartung S, Rott E (2016) Dokumentation des 3. Kolloquiums. 22. bis 24. Februar 2016, Nicht-öffentliches Dokument
  12. Praxispartner*innen/Mitforschende des Forschungsverbundes PartKommPlus (2021) "DIE UMSETZUNG ERFOLGT VOR ORT". Diskussionspapier der Praxispartner*innen und Mitforschenden des Forschungsverbundes, Berlin. Stand: März 2021.