Wirkungsbeschreibung Projekt Kommunale Entwicklung von Gesundheitsstrategien: Wissenschaft und Praxis im Dialog (KEG)

Zusammenfassung

Im Rahmen des Projekts KEG „Kommunale Entwicklung von Gesundheitsstrategien: Wissenschaft und Praxis im Dialog“ führten wir zwei Fallstudien durch: eine in Esslingen (Baden-Württemberg) und eine im Hamburger Stadtteil Rothenburgsort.

Unser Hauptanliegen war, Erkenntnisse über die Zusammenarbeit und die Anliegen der Gesundheitsförderung auf Stadtteilebene zu gewinnen, um die integrierte kommunale Gesundheitsförderung (IKS) voranzubringen und Transferangebote zum Nutzen für die Praxis der kommunalen Gesundheitsförderung zu entwickeln.

In beiden Teilprojekten bildeten wir Forschungsgemeinschaften mit Beteiligten aus Wissenschaft und Praxis. In Esslingen gehörten zudem jugendliche Mitforschende aus dem Stadtteil und in Hamburg Fachkräfte der Gesundheitsförderung und Bewohnerinnen des Stadtteils zur Forschungsgemeinschaft. Wir arbeiteten und forschten auf Augenhöhe. In Esslingen setzten wir als partizipative Methode u. a. Photovoice ein, in Hamburg Appreciative Inquiry.

Für die Wirkungsbeschreibung konzentrieren wir uns auf die Hamburger Fallstudie. Die Entwicklung und der Praxistransfer des Beratungsinstruments Standortanalyse betrachten wir als zentrale Wirkung.

Die zentralen Wirkfaktoren lagen bei KEG in der Verknüpfung von Wissenschaft, Praxis und Lebenswelt sowie in der kollegialen und offenen Zusammenarbeit auf Augenhöhe in der Forschungsgemeinschaft.

Das fundierte Wissen, die unterschiedlichen Perspektiven, Rahmenbedingungen und Einflussmöglichkeiten, die durch die verschiedenen Beteiligten in die Arbeit der Forschungsgemeinschaft eingebracht werden konnten, ermöglichten es, bei der Entwicklung der Standortanalyse Theorie, Empirie und Praxis zu verbinden. Für das Ziel, ein Beratungsinstrument für die Praxis kommunaler Gesundheitsförderung zu entwickeln und zu implementieren, fanden wir in der HAG (Hamburgische Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung e. V.) eine geeignete Kooperationspartnerin, da sie qua ihres Arbeitsauftrags in politische Entscheidungsprozesse auf Landesebene eingebunden und an Prozessen der Strukturbildung beteiligt ist.

Die wertschätzende Arbeitshaltung und Zusammenarbeit in der Forschungsgemeinschaft und die Prozessorientierung im Vorgehen entspricht den Merkmalen der Partizipativen Gesundheitsforschung. Gemeinsam diskutierten wir in der Forschungsgemeinschaft und entschieden, was die Standortanalyse für ein Instrument werden soll und was damit beabsichtigt wird. Wir schufen uns in der Forschungsgemeinschaft zudem den Raum und die Zeit für Reflexion.

Das Zusammenspiel der genannten zentralen Wirkfaktoren ermöglichte uns, mit der Standortanalyse ein Instrument zu entwickeln, das an den Erfordernissen der Praxis ansetzt und den Stand der aktuellen landes- und bundesweiten Entwicklungen berücksichtigt.

Projektvorstellung

Die Projektvorstellung von KEG finden Sie hier.

Beteiligte Personen und Organisationen

Hochschule Esslingen

  • Prof. Dr. Petra Wihofszky
  • Sandra Layh

Forschungsgemeinschaft in Hamburg

  • Petra Hofrichter (HAG)
  • Mareen Jahnke (HAG)
  • Lena-Marie Oeltjen (HAG)
  • Simone Niesslien (HAG)
  • Josephine Göldner (KGC)
  • Christiane Färber (BGV Hamburg, seit 2020 Sozialbehörde)
  • Mitarbeitende des Bezirksamts Hamburg-Mitte
  • Akteur*innen und Bewohner*innen des Stadtteils Hamburg-Rothenburgsort

Forschungsgemeinschaft in Esslingen

  • Monika Bradna (Stadt Esslingen)
  • Mitarbeitende des Amts Soziales, Integration und Sport
  • Akteur*innen und Jugendliche des Bezirks Mettingen/Brühl/Weil in Esslingen

Produkte

Eine Auflistung der Produkte finden Sie auf der Seite des Teilprojektes KEG.

Wirkungsbeschreibung

Einleitung

Die Wirkungsbeschreibung bezieht sich auf die Hamburger Fallstudie.I Sie ist in einem reflexiven Prozess während der zweiten Förderphase von KEG entstanden. Daran beteiligt waren die Mitglieder der Forschungsgemeinschaft. Wie wir bereits in der Projektvorstellung geschrieben haben, bestand die Forschungsgemeinschaft zu diesem Zeitpunkt aus Mitarbeiterinnen der HAG (Hamburgische Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung e. V.) und der Hochschule Esslingen. Die Mitglieder der Forschungsgemeinschaft aus der ersten Förderphase – das Bezirksamt Hamburg-Mitte und die damalige Hamburger Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz BGV (seit 2020 Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration (Sozialbehörde)) – haben uns in diesem Prozess bei Bedarf beraten.

In der Forschungsgemeinschaft gemeinsam zu reflektieren und sie als „kommunikativen Raum“ zu nutzen (Bergold & Thomas 2012), war Teil unseres Forschungsvorgehens bei KEG. Die Art und Weise, wie wir reflektierten, bezeichnen wir in einer unserer Publikationen [1]II als informell-offenes Reflektieren (Wihofszky, Wright et al. 2020). Darunter verstehen wir, dass jedes Treffen wie z. B. Besprechungen in der Forschungsgemeinschaft, Kolloquien des Verbundes, Begegnungen im Stadtteil als mögliche Reflexions- und Lernorte genutzt werden. Reflexion war also bei KEG nicht an einen Ort und an einen konkreten Zeitpunkt gebunden. Stattdessen wurden Erkenntnisse aus vielfältigen Prozessen in Protokollen festgehalten und strukturiert. Daraus entstand eine umfassende Projektdokumentation [2], die uns bei der Arbeit an der Wirkungsbeschreibung half, die Etappen unserer Forschung rückwirkend zu betrachten und Perspektiven auszutauschen.

Um die räumliche Entfernung zwischen Hamburg und Esslingen zu überbrücken, stießen wir zunächst per E-Mail einen Reflexionsprozess in der Forschungsgemeinschaft an. Wir untergliederten in sieben Wirkungsebenen, auf denen wir mögliche Wirkungen identifizieren konnten:

  1. die Forschungsgemeinschaft und ihre Mitglieder,

  2. die Mitforschenden wie Bewohner*innen und Akteur*innen,

  3. die Fachakteur*innen aus Bezirk und Stadtteil,

  4. die Hochschule als akademischer Teil der Forschungsgemeinschaft,

  5. die HAG und die in die HAG integrierte Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit (KGC) als beteiligte Praxisinstitutionen,

  6. die Gesundheitsförderungs-Community und

  7. die Scientific Community.

Jede Woche machten wir ein Brainstorming zu einer Wirkungsebene. Ausgangspunkt waren zwei Fragen: Welche Wirkungen können wir einer Ebene zuordnen? Wie sind diese Wirkungen zustande gekommen bzw. wie könnten sie zustande gekommen sein? Die Fragen wurden per E-Mail beantwortet und gesammelt. Im nächsten Schritt bündelten wir die Ergebnisse in einer umfangreichen Tabelle. Als Quellen unserer Überlegungen dienten uns die Protokolle, Mitschriften und Memos unserer Projektdokumentation [2] sowie verschiedene Reader, die wir als Zusammenfassungen der Daten für den Auswertungsprozess in der Forschungsgemeinschaft erstellt hatten [3].

Zur Auswertung unseres Brainstormings trafen wir uns persönlich. Wir stellten fest, dass wir eine immense Bandbreite an Wirkungen angestoßen hatten, z. B.: ein Wissens- und Kompetenzzuwachs bei Beteiligten [2, 5], eine gestärkte Zusammenarbeit innerhalb der Forschungsgemeinschaft [1, 2, 4, 5, 6], eine höhere Bekanntheit und Akzeptanz Partizipativer Gesundheitsforschung z. B. innerhalb der Hochschule Esslingen [7] und in Fachkreisen [1] und ein Nutzen für den Stadtteil Rothenburgsort [8], aber auch für die anderen Bezirke und Stadtteile in Hamburg. Als zentral erschien uns, dass sich unsere Erkenntnisse für die anderen Bezirke und Stadtteile in Hamburg nutzen ließen und nachgefragt wurden. Damit nichts davon verloren geht, entwickelten wir für den Transfer unserer Ergebnisse die Standortanalyse – ein Beratungsinstrument, das wir im nächsten Abschnitt vorstellen und in den Fokus unserer Wirkungsbeschreibung stellen.

Beschreibung der Standortanalyse als zentrale Wirkung von KEG

Das Beratungsinstrument „Standortanalyse für den Auf- und Ausbau integrierter kommunaler Strategien“ ist ein Instrument zur Begleitung und Beratung von Fachkräften [7]. Es ist aus den Ergebnissen von KEG entstanden [1]. Ursprünglich wollten wir die Anliegen der Bewohnerschaft von Rothenburgsort kennenlernen, um dieses Wissen für die (Weiter-)Entwicklung einer integrierten kommunalen Gesundheitsstrategie (IKS) zu nutzen. Dazu sollten Fachkräfte eines lokalen Netzwerks als Mitforschende gewonnen werden. Da uns dies trotz aller Bemühungen nur begrenzt gelang, analysierten wir die Gründe und überdachten unsere Fragestellung [2]. Wir erkannten, dass strukturelle Veränderungen – das Netzwerk löste sich zu diesem Zeitpunkt auf und strebte eine Fusion mit einem anderen bestehenden Netzwerk an – das Interesse der Fachkräfte an unserem Forschungsvorhaben schwächte. Uns wurde zudem klar, dass wir zwar im ausgewählten Stadtteil etwas verändern wollten, aber zugleich diente der Stadtteil uns als Beispiel. So konnten wir Gelerntes auf andere Stadtteile in Hamburg übertragen, um dort Wirkungen zu erzielen. Da war unser vorrangiges Forschungsinteresse. Daher richteten wir nun unseren Fokus auf den Transfer von Ergebnissen. Daraus entwickelte sich später im Prozess die Entscheidung, das Instrument der Standortanalyse zu entwickeln.

Die Standortanalyse setzt sich aus dem Tableau, den Themenfeldern mit den zugehörigen Fragekarten sowie einem Arbeitsheft zusammen. Das Tableau hat die Form einer Wabe, kann in der Mitte des Tisches platziert werden und ist drehbar (siehe Abbildung). In der Mitte dieser Wabe steht „Standortanalyse“. Damit wird die Phase/der Zeitraum der Vorbereitung bezeichnet, der vor der Planung einer integrierten kommunalen Gesundheitsstrategie liegt. Die Phasen vor und nach der Standortanalyse werden auf dem Tableau als kleinere Waben dargestellt.

Abbildung: Tableau der Standortanalyse (Grafik: Agentur Weiser)

Den Schwerpunkt der Standortanalyse bilden sechs Themenfelder, die wir aus den in Rothenburgsort gewonnenen Erkenntnissen abgeleitet habenIII: Ausgangssituation, Wissen, Vernetzung, Klima im Sozialraum, Informationsstand und Ressourcen. Diese Themenfelder sind die zentralen Kriterien für die Einschätzung eines Sozialraums. Sie orientieren sich am theoretischen Modell Community Readiness (Tri-Ethnic Center for Prevention Research 2014) und sind in ihrer Bedeutung gleichrangig. Jedes Themenfeld setzt sich wiederum aus drei inhaltlichen Schwerpunkten zusammen, die auf insgesamt 18 Fragekarten als Gesprächsimpulse formuliert und im Arbeitsheft enthalten sind.

Auf der Grundlage der Analyse und Reflexion aller Fragekarten wird eine Einschätzung des Sozialraums vorgenommen. Im Arbeitsheft werden Anregungen zur Weiterarbeit gegeben, die die Selbsteinschätzung ergänzen. In einem Arbeitsheft wird das Instrument Standortanalyse erläutert – seine Entstehung, Bestandteile sowie der Ablauf (Wihofszky, Layh, Hofrichter, Jahnke & Göldner 2020).

Nach der Entwicklungsphase der Standortanalyse holten wir als Pretest des Instruments ein kollegiales Feedback [6] ein. Anschließend evaluierten wir das Instrument praxisnah bei der Beratung von vier Hamburger Stadtteilen durch die KGC (von Januar 2019 bis Januar 2020) [9]. Im Fokus der Evaluation standen die Akzeptanz der Beratungen, die Passung und Handhabung des Instruments sowie mögliche Weiterentwicklungsbedarfe des Angebots. Mittlerweile (Stand September 2020) ist die Standortanalyse ein fester Bestandteil des Beratungs- und Qualifizierungskonzeptes der KGC [10] und konnte nachhaltig in eine etablierte Landesstruktur überführt werden.

Die Evaluation zeigte vielfältige Wirkungen auf, die durch die Beratungen mit der Standortanalyse erreicht werden konnten [1, 3]. Die Teilnehmenden der Beratungen berichteten von einem Zuwachs an Wissen über vorhandene Angebote und Strukturen, eine Klärung von Rollen bis hin zur Reaktivierung von Netzwerken und Förderung des (weiteren) Strukturaufbaus. Die Standortanalyse war für sie ein geeignetes Instrument, um sich vor dem Start einer integrierten kommunalen Strategie auszutauschen. Es stellte ihnen den dafür notwendigen Raum zur Verfügung, bot ihnen die passende Struktur und gab Impulse zu allen wichtigen Themen. Die Teilnehmenden fühlten sich in dem Prozess „geleitet“ und würdigten, dass ihnen durch die Beratungen ein kommunikativer Raum geöffnet wird, „sich wirklich intensiv“ mit dem Aufbau einer integrierten kommunalen Strategie auseinanderzusetzen. Vor allem die externe Moderation wurde als wichtig hervorgehoben, denn sie ermöglichte einen Austausch, „ohne dass man selber darauf achten muss, das zu strukturieren oder zu moderieren oder den Faden zu behalten“. Den Teilnehmenden zufolge schuf die Arbeit mit der Standortanalyse einen Gesamtüberblick, schloss Wissenslücken, klärte Verantwortlichkeit und stärkte Zusammenarbeit und Vernetzung. Zudem wurden erste Gedanken und konkrete Ideen angestoßen, ins gemeinsame Handeln zu kommen.IV

Wirkfaktoren und Wirkungswege zur Entwicklung der Standortanalyse

In diesem Abschnitt gehen wir der Frage nach, welche Wirkfaktoren und Wirkungswege zu der Entwicklung der Standortanalyse führten und welche weiteren Wirkungen dadurch angestoßen wurden. In der partizipativen Forschung werden Wirkungen, die sich wie Wellen ausbreiten, als ripples effects bezeichnet (Trickett & Beehler 2017).

Ein wesentlicher Wirkfaktor, der die Entwicklung der Standortanalyse ermöglichte, war nach unseren Erfahrungen die Besetzung der Forschungsgemeinschaft mit Beteiligten der Hamburger Bezirks- und Landesebene sowie mit akademisch Forschenden der Hochschule Esslingen. Das fundierte Wissen, die unterschiedlichen Perspektiven, Rahmenbedingungen und Einflussmöglichkeiten, die durch die verschiedenen Beteiligten in die Arbeit der Forschungsgemeinschaft eingebracht werden konnten, ermöglichten es, bei der Entwicklung der Standortanalyse Theorie, Empirie und Praxis zu verbinden.

Folgende Zusammenhänge verdeutlichen, welche Rolle die Kooperation mit der HAG und der Sozialbehörde als Institutionen, die auf Landesebene agieren, spielte und welche Wirkungen wir damit anstoßen konnten: Der berufliche Auftrag der HAG lautet, Konzepte der soziallagenbezogenen Gesundheitsförderung zu entwickeln, landesweite Programme zu koordinieren und umzusetzen, Fachakteur*innen zu stärken und Politik zu beraten. Dadurch war die HAG im Prozess zur Umsetzung der Landesrahmenvereinbarung zur Umsetzung der nationalen Präventionsstrategie gemäß § 20f SGB V im Land Hamburg (LRV Hamburg) beratend eingebunden. Wir konnten an aktuelle Entwicklungen auf Landesebene anschließen und – u. a. ausgehend von den Erkenntnissen der ersten Förderphase – ein Instrument entwickeln, das Bedarfe auf Landesebene aufgreift. Ein Instrument für den Auf- und Ausbau von integrierten kommunalen Strategien, das entsprechend dem Hamburger Kontext gestaltet wird, hat einen positiven Einfluss auf die Ausgestaltung der im Rahmen der LRV Hamburg ausgebauten lokalen Vernetzungsstellen für Prävention. Die LRV stärkt damit die kommunale Gesundheitsförderung, fördert integrierte kommunale Strategien und forciert Beratung und Begleitung in diesem Bereich: All diese Aspekte werden durch die Standortanalyse bedient. Durch die Beteiligung der Vertreterin der Sozialbehörde und den regelmäßigen Austausch mit ihr auch in der zweiten Förderphase von KEG (in der sie kein Teil der Forschungsgemeinschaft mehr war, sondern beratend einbezogen wurde) war gewährleistet, Beratungen mit der Standortanalyse programmatisch in Hamburger Strukturen einzubinden und zu erproben und so die Hamburger Gesundheitsförderungspraxis aktiv mitzugestalten. Dieser Prozess förderte auch die Anerkennung der HAG und der KGC in kommunalen Gremien und bei kommunalen Entscheidungsträger*innen, z. B. nahm der zuständige Bezirksamtsleiter an der Abschlussveranstaltung der ersten Förderphase im Stadtteil teil [5].

Weitere Wirkfaktoren, die die Entwicklung der Standortanalyse begünstigten, waren die wertschätzende Arbeitshaltung und Zusammenarbeit in der Forschungsgemeinschaft und die Prozessorientierung im Vorgehen. Beides entspricht den Merkmalen der Partizipativen Gesundheitsforschung. Gemeinsam diskutierten wir in der Forschungsgemeinschaft und entschieden [2], was die Standortanalyse für ein Instrument werden soll und was damit beabsichtigt wird. Wir besprachen das Alleinstellungsmerkmal, die Adressat*innen und Ziele des Instruments. Die Hochschule Esslingen übernahm den Part, die Entwicklung des Instruments theoretisch-konzeptionell zu verankern. Die Mitarbeiterinnen der HAG und der daran angebundenen KGC entwickelten ergänzend dazu Ideen, wie die Standortanalyse in das Konzept der KGC eingebunden werden kann [10]. Es gelang, die Standortanalyse an die Ziele der KGC anzudocken – u. a. stadtteilbezogene Netzwerke und Strategien zu unterstützen und praxisorientierte Qualitätsentwicklung zu verankern – und in das Beratungs- und Qualifizierungskonzept der KGC zu integrieren. Die Hochschule Esslingen entwarf eine erste Skizze für das Instrument, die in den folgenden Treffen der Forschungsgemeinschaft diskutiert und weiterentwickelt wurde [2]. Wie bereits beschrieben führten wir am Ende der Entwicklungsphase einen Pretest in Hamburg durch und holten ein kollegiales Feedback u. a. in einem Kolloquium von PartKommPlus ein. Die Ergebnisse flossen in die (Weiter-)Entwicklung des Instruments ein. Die Standortanalyse wurde auch auf Kongressen wie z. B. Armut und Gesundheit vorgestellt, teilweise in Verantwortung der HAG oder auch in gemeinsamer Verantwortung der Hochschule Esslingen und der HAG [5]. Die Entwicklung und Evaluation der Standortanalyse, die im Zentrum der zweiten Förderphase stand, erforderte viel Interaktion und eine flexible Kommunikation in der Forschungsgemeinschaft. Deshalb stellten wir auf eine agile Methode der Projektorganisation um, die u. a. auch reflexive Formate enthielt und die Arbeitszufriedenheit in der Forschungsgemeinschaft förderte [4].

Die beschriebenen Wirkungen gingen einher mit der bundesweiten Ausgestaltung und Mehrgewichtung von Landesstrukturen für Gesundheitsförderung und Prävention und stärkten damit auch die Arbeit der KGC. Das Präventionsgesetz sorgte zudem auf Bundesebene dafür, dass die BZgA gestärkt wurde. Dies wirkte sich wiederum positiv auf die Strukturen und das Angebot von Beratung und Ausbau von kommunalen Strategien aus. Auch diese Bedingungen auf Bundesebene konnten wir in KEG durch die Zusammensetzung der Forschungsgemeinschaft reflektieren und mitberücksichtigen.

Wirkungsperspektiven

Die Standortanalyse stärkt nach unseren Ergebnissen aus der Evaluation und unseren Eindrücken aus der Beratungspraxis den Auf- und Ausbau von integrierten kommunalen Strategien: Sie ermöglicht einen Austausch zwischen Akteur*innen und schafft dafür den passenden Raum und eine orientierungsgebende Struktur. Sie trägt auch zur Vernetzung von Akteur*innen bei und stärkt ihre Verantwortlichkeit. Bis dato wurden in Hamburg 4 Beratungsprozesse mit der Standortanalyse abgeschlossen, 4 Prozesse sind laufend und insgesamt 10 Anfragen von Sozialräumen, Bezirken und Kommunen wurden an die KGC gestellt (Stand: September 2020). Darüber hinaus bekundeten bundesweite Akteur*innen ihr Interesse an der Standortanalyse. Die HAG bietet eine Schulung für Fachkräfte an, die zukünftig als Beratende mit der Standortanalyse arbeiten wollen. Die Digitalisierung der Standortanalyse wird aktuell umgesetzt. Dann können Beratungen mit der Standortanalyse zukünftig sowohl digital als auch in Präsenz durchgeführt werden. Davon erhoffen wir uns, dass die Standortanalyse über Hamburg hinaus auch in anderen Bundesländern genutzt werden kann. Eine englische Version für die internationale Nutzung ist ebenfalls in Planung.

Fußnoten:

I: Für die Beschreibung von Wirkungen der Esslinger Fallstudie verweisen wir auf den Beitrag „Photovoice als partizipative Methode: Wirkungen auf individueller, gemeinschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene“ von Wihofszky, Hartung und Kolleg*innen (2020) [1].

II: Die Nummerierung verweist auf die Belege der Wirkungen (s. Tabelle Hinweise und Belege).

III: Wie sich die Themenfelder aus unseren Erkenntnissen ableiteten, beschreiben wir in dem Beitrag „Appreciative Inquiry in der Partizipativen Gesundheitsforschung: Methodische Einblicke in eine Fallstudie im Stadtteil“ von Wihofszky, Layh, Jahnke & Hofrichter (2020) [1].

IV: Einen Einblick in das methodische Vorgehen und in die Ergebnisse der Evaluation gibt der Beitrag „Transfer partizipativer Forschungsergebnisse in die Praxis: Das Beratungsinstrument Standortanalyse in der kommunalen Gesundheitsförderung“ von Wihofszky, Hofrichter, Layh & Jahnke (2021) [1].

Fazit

Die zentralen Wirkfaktoren lagen bei KEG auf der Ebene der Forschungsgemeinschaft und ihrer Zusammenarbeit. Wie wir ausführten, zählten dazu die kollegiale und offene Zusammenarbeit auf Augenhöhe in der Forschungsgemeinschaft. Wir schufen uns in der Forschungsgemeinschaft den Raum und die Zeit für Reflexion. KEG zeichnete sich auch durch eine gelungene Verknüpfung von Forschung und Praxis aus. Für das Ziel, ein Beratungsinstrument für die Praxis kommunaler Gesundheitsförderung zu entwickeln und zu implementieren, erwies sich die HAG als geeignete Kooperationspartnerin, da sie qua ihres Arbeitsauftrags in politische Entscheidungsprozesse auf Landesebene eingebunden und an Prozessen der Strukturbildung beteiligt ist. Das Zusammenspiel der genannten zentralen Wirkfaktoren ermöglichte uns, mit der Standortanalyse ein Instrument zu entwickeln, das an den Erfordernissen der Praxis ansetzt und den Stand der aktuellen landes- und bundesweiten Entwicklungen berücksichtigt („gutes Timing“). Aktuell genießt die Stärkung der Gesundheitsförderung im Setting Kommune große Aufmerksamkeit. Dies zeigt sich u. a. darin, dass das GKV-Bündnis den Aufbau von kommunalen Strukturen und die Beratung von Kommunen fördert. Die von uns entwickelte Standortanalyse könnte dabei eines der Instrumente sein, die diese Entwicklung unterstützt. Für die Verstetigung und Nachhaltigkeit der von KEG angestoßenen Wirkungen ist es wichtig, dass die HAG als fachlich hochkompetente Praxispartnerin die Verbreitung der Standortanalyse in weiteren Kommunen und Bundesländern fördern kann. Dafür ist die HAG sehr gut vernetzt – auf Bundesebene mit anderen Landesvereinigungen, dem Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengleichheit, dem GKV-Bündnis und der BZgA. Nach unseren Erfahrungen waren die Wirkfaktoren entscheidend, die wir steuern konnten: eine von Austausch und Transparenz geprägte Arbeitsweise auf Augenhöhe in der Forschungsgemeinschaft sowie Räume für die gemeinsame Reflexion und den ehrlichen Austausch von Interessen.

Literatur

Literatur

  • Bergold, Jarg & Thomas, Stefan (2012): Partizipative Forschungsmethoden: Ein methodischer Ansatz in Bewegung. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 13(1), Art. 30, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs1201302 [Datum des Zugriffs: 15.11.2018].
  • Springett, Jane, Wright, Michael T. & Roche, Brenda (2011): Developing quality criteria for Participatory Health Research: An agenda for action, WZB Discussion Paper, No. SP I 2011-302, Berlin: Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB).
  • Tri-Ethnic Center for Prevention Research (Hrsg.) (2014): Community Readiness for Community Change. Tri-Ethnic Center Community Readiness Handbook. Online-Dokument. Colorado State University. https://tec.colostate.edu/wp-content/uploads/2018/04/CR_Handbook_8-3-15.pdf. [Datum des Zugriffs: 07. Juli 2020].
  • Trickett, Edison J. & Beehler, Sarah (2017): Participatory action research and impact: An ecological ripples perspective. Educational Action Research, 25(4), 525–540. https://doi.org/10.1080/09650792.2017.1299025.
  • Tuckermann, Harald & Rüegg-Stürm, Johannes (2010): Researching Practice and Practicing Research Reflexively. Conceptualizing the Relationship Between Research Partners and Researchers in Longitudinal Studies. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 11(3), Art. 14, http://www.qualitative-research.net/index.php/fqs/article/view/1540/3046 [Datum des Zugriffs: 15.11.2018].
  • Wihofszky, Petra, Hartung, Susanne, Allweiss, Theresa, Bradna, Monika, Brandes, Sven, Gebhardt, Birte & Layh, Sandra (2020): Photovoice als partizipative Methode: Wirkungen auf individueller, gemeinschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene. In Hartung, Susanne, Wihofszky, Petra & Wright, Michael T. (Hrsg.): Partizipative Forschung. Ein Forschungsansatz für Gesundheit und seine Methoden. Wiesbaden: Springer VS, 85-142. https://doi.org/10.1007/978-3-658-30361-7.
  • Wihofszky, Petra, Hofrichter, Petra, Layh, Sandra & Jahnke, Mareen (2021): Transfer partizipativer Forschungsergebnisse in die Praxis: Das Beratungsinstrument Standortanalyse in der kommunalen Gesundheitsförderung. Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz, 64(2), 199–206. doi.org/10.1007/s00103-020-03273-x
  • Wihofszky, Petra, Layh, Sandra, Hofrichter, Petra, Jahnke, Mareen & Göldner, Josephine (2021): Standortanalyse für den Auf- und Ausbau integrierter kommunaler Strategien. Esslingen/Hamburg. Instrument und Arbeitsheft.
  • Wihofszky, Petra, Layh, Sandra, Jahnke, Mareen & Hofrichter, Petra (2020): Appreciative Inquiry in der Partizipativen Gesundheitsforschung: Methodische Einblicke in eine Fallstudie im Stadtteil. In Hartung, Susanne, Wihofszky, Petra & Wright, Michael T. (Hrsg.): Partizipative Forschung. Ein Forschungsansatz für Gesundheit und seine Methoden, S. 179-206. Wiesbaden: Springer VS. https://doi.org/10.1007/978-3-658-30361-7.
  • Wihofszky, Petra, Wright, Michael T., Kümpers, Susanne, Layh, Sandra, Bär, Gesine, & Schaefer, Ina (2020). Reflektieren in Forschungsgemeinschaften: Ansatzpunkte, Formate und Erfahrungen. In Hartung, Susanne, Wihofszky, Petra & Wright, Michael T. (Hrsg.): Partizipative Forschung – Ein Forschungsansatz für Gesundheit und seine Methoden, S. 63–84. Wiesbaden: Springer VS.

Quellen, Hinweise und Belege

Hinweise und Belege Erläuterung
1 Publikationen In der zweiten Förderphase sind eine Reihe an Publikationen entstanden (siehe dazu Liste der Produkte in KEG), u. a. als Open Access-Beiträge im Rahmen des Buchs „Partizipative Forschung: Ein Forschungsansatz für Gesundheit und seine Methode“ herausgegeben von Susanne Hartung, Petra Wihofszky & Michael T. Wright (2020).
2 Projektdokumentation Die Projektdokumentation umfasst Protokolle der Treffen der Forschungsgemeinschaft, Mitschriften von Kolloquien, Memos von informellen Gesprächen etc. Die Projektdokumentation ist ausschließlich zu internen Zwecken.
3 Reader Die Datenauswertung erfolgte als partizipativer Prozess in der Forschungsgemeinschaft. Dazu erstellte die Hochschule Esslingen als akademische Partnerin Reader in Form von Zusammenfassungen, die zur Vorbereitung von Auswertungstreffen genutzt wurden.
4 Anekdoten Unter Anekdoten verstehen wir Erfahrungen und Erlebnisse, die nicht schriftlich festgehalten wurden, sondern mündlich als Teil des reflexiven Prozesses erzählt wurden.
5 Präsentationen Dazu zählen Präsentationen, die in kommunalen Gremien, auf Tagungen und Kongressen wie z. B. der KGC-Tagung, Armut und Gesundheit oder anlässlich von Veranstaltungen gehalten wurden.
6 Feedback von Beteiligten Feedback von Beteiligten wie z. B. von Akteur*innen des Stadtteils wurde auf Nachfrage oder auch spontan gegeben.
7 Homepage Auf diversen Homepages wird KEG als Teilprojekt von PartKommPlus dargestellt, wie z. B. auf der Website der Hochschule Esslingen, der HAG und von PartKommPlus.
8 Film Der Film „Gesund aufwachsen in Rothenburgsort“ stellt die Forschung von KEG der ersten Förderphase dar. Der Film enthält auch Original-Töne von beteiligten Akteur*innen und Bewohner*innen. Anlässlich mehrerer Veranstaltungen wurde der Film gezeigt und erhielt viel positive Resonanz, da sich die an der Forschung Beteiligten in ihren Anliegen gesehen und wertgeschätzt fühlten.
9 Evaluation Die Standortanalyse wurde in der zweiten Förderphase von KEG evaluiert. Die Evaluation erfolgte praxisnah, d. h. es wurden Beratungen begleitet und dokumentiert, die Beraterinnen nach ihren Einschätzungen befragt und die Teilnehmenden der Beratungen zu Gruppendiskussionen eingeladen.
10 Konzept der KGC Die Standortanalyse wurde in das Konzept der KGC integriert und mit deren Zielen und Aufgaben verbunden.